Leckereien und Bier im Gepäck, Deutschland im Herzen

Leckereien und Bier im Gepäck, Deutschland im Herzen

Französische Austauschschüler besuchen die Albert-Schweitzer-Schule/Engagierte Partnerschaft mit Schule in Yvetot seit über 20 Jahren

Endlich! Besuch aus Frankreich an der Albert-Schweitzer-Schule! Nachdem im vergangenen Frühjahr im Rahmen der Coronamaßnahmen Klassenfahrten verboten worden waren und damit auch der Frankreichaustausch entfallen musste, wurde dieser nun nachgeholt. Für unsere französischen Gäste brachte das gleich eine Besonderheit mit: Das Altstadtfest, sicher einer der Höhepunkte in Nienburg in jedem normalen Jahr. Nachdem die französischen Gäste bereits von Schulleiter Dr. Wegener begrüßt und sogar schon im Rathaus empfangen wurden, baten wir einige deutsche und französische Teilnehmer des diesjährigen Frankreichaustauschs zum Interview: Die ASSler Julius, Amrei, Colja und Jonna aus dem 11. und 12. Jahrgang gaben ihre Eindrücke von deutscher Seite zum Ausdruck, durch Paul, Tessa, Clement und Ludivine vermögen wir ein wenig mit französischen Augen auf diese deutsch-französische Begegnung zu blicken. Zunächst aber stellt Lehrerin Dirtje Reuter, die zusammen mit Kerstin Blunk, Melanie Brosch und weiteren Kolleginnen und Kollegen aus der Fachschaft Französisch den Austausch engagiert betreut, den Schüleraustausch kurz vor.

Frau Reuter: Schön, dass der Austausch Corona überstanden hat. Das war für alle Verantwortlichen mit großem Engagement verbunden. Der Austausch existiert ja etwa seit dem Jahr 2000, es gab über ein Dutzend Fahrten, zu Beginn jedes Jahr, dann alle 2 Jahre. Lehrkräfte und die Schulleitungen hier und in Frankreich unterstützen den Austausch tatkräftig.  Auf unsere Gäste, oft begleitet von ihren deutschen Gastgeschwistern, wartete auch diesmal wieder ein umfangreiches Programm: Neben dem aktiven Schulbesuch gab es eine Stadtrallye, den Empfang im Rathaus, Ausflüge nach Bremerhaven ins Auswandererhaus und Klimahaus, nach Celle, ein Besuch von Bergen-Belsen, eine Erkundung Hannovers und so manche Aktivität in den Gastfamilien. Diesmal nahmen Schülerinnen und Schüler aus unseren 11. und 12. Klassen teil. Zukünftig sollen es wieder jüngere Klassen betreffen,  und zwar beim nächsten Austausch, der Schüler aus unseren jetzigen 9. und 10. Klassen nach Frankreich führen wird. Wir freuen uns schon darauf – denn auch dieser aktuelle Austausch war wieder ein voller Erfolg. Aber hören wir, was die Schüler zu sagen haben.

Hallo und bonjour. Toll, dass Ihr die Geschichte des Frankreichaustausches zwischen der Albert-Schweitzer-Schule und dem Lycée Raymond Queneau in Yvetot, Normandie fortschreibt. Gerne würden wir erfahren, was euch zu diesem Austausch motiviert hat.

Ludivine: Ich möchte gerne die Unterschiede zwischen Frankreich und Deutschland in Schule und Alltag kennenlernen. Außerdem hat Deutsch als Fremdsprache bei uns einen höheren Stellenwert als Englisch. Das wird kaum gesprochen. Mit dem Austausch kann ich mein Deutsch verbessern. Und zugleich eine andere Kultur kennenlernen.

Tessa: Ja, es ist wichtig, das Deutsche zu lernen. Ich erhoffe mir Vorteile auf dem Arbeitsmarkt.

Und wie ist das bei Euch Deutschen?

Jonna: Meine ältere Schwester hat mich für den Austausch begeistert. Und mancher Urlaub in Frankreich.

Colja: Wir sprechen auch französisch in der Familie, haben Freunde und Bekannte in Frankreich.

Julius: Für mich ist es die Chance, französische Freunde zu finden!

Sicher spielen ja auch Erwartungen und das Image des Landes eine Rolle. Welche Vorstellungen von Deutschland hattet Ihr denn vor dem Austausch?

Paul: Dass Umweltbewusstsein eine große Rolle spielt. Ich war aber dann etwas überrascht über den vielen Müll beim Altstadtfest. Plastikbecher lagen zum Beispiel überall herum. Und es heißt, das Fahrrad spiele in Deutschland eine große Rolle. In Frankreich weniger. Da steigt man eher sonntags auf das Rennrad für eine Tour.

So, so. Nun seid Ihr hier – und Eure deutschen Austauschpartner waren bereits bei Euch zu Besuch. Was ist Euch denn so aufgefallen beim Vergleich Frankreichs mit Deutschland?

Jonna: In Frankreich isst man deutlich mehr Fleisch. Bei mir zu Hause in Nienburg ist das Essen vegetarisch.Und in Frankreich scheinen die Wohnverhältnisse enger zu sein als hier in Nienburg. Lehrerin Dirtje Reuter ergänzt: Das gilt vielleicht nicht überall, eher in den Städten.

Colja: Noch einmal zurück zum Essen: In Frankreich scheint da der Stellenwert anders. Der Ablauf ist klar geregelt: Es gibt viele Gänge beim Essen. Aber in Frankreich ist Aufschnitt nicht so vielfältig wie bei uns. In Deutschland dagegen handhabt man Essen eher praktisch.

Amrei: Das Abendessen hat in Frankreich wohl eine große Bedeutung. Die Hauptmahlzeiten am Tage werden gemeinsam, sofern möglich, eingenommen. Bei uns isst man auch oft allein.

Tessa: Ja, in Frankreich haben wir feste Essensrituale, feste Essenszeiten und Abläufe. Also Vorspeise, Hauptspeise, Dessert, dann noch Käse und Joghurt.

Gibt es etwas, was Euch beim Vergleich der Schulen aufgefallen ist?

Julius: Ja, Deutschunterricht in Frankreich ist eher auf Französisch. Man bekommt einen deutschen Text und spricht dann darüber. Also, dort in Yvetot ist Unterricht bilingual, Mathe etwa auf Deutsch. Die Lehrer sprechen aber französisch, dagegen sind die Aufgaben auf Deutsch.

Amrei: Und die Schule geht in Yvetot bis 17:30 Uhr. Bei uns an der ASS endet sie spätestens um 15 Uhr. Und auch samstags findet in Frankreich Schule statt.

Paul: An meiner Schule in Yvetot verwenden wir keine Tablets. Die Lehrer sind der Meinung, dass Schüler sonst zu viel vor einem Bildschirm hocken. Mir ist aufgefallen, dass die Räume hier an der ASS riesig sind im Vergleich. Dafür sind die Klassen in Frankreich größer, 30 Schüler und mehr.

Frau Reuter ergänzt: Hier haben wir ein Jahr länger Schule bis zum Jahrgang 13, in Frankreich geht es längstens bis zur 12. Im ‚Abi‘ muss man in Yvetot dafür zwei Fremdsprachen verpflichtend belegen.

Tessa: Mir ist noch aufgefallen, dass deutsche Schüler besser in Englisch sind als die Franzosen.

Colja: An der Schulausstattung ist mir noch aufgefallen: Wir haben im Gegensatz zu den Schülern aus Yvetot zwar eine Cafeteria, aber keine richtige Mensa.

Wo wir schon beim Thema Schule und Lernen sind: Wie viele Jahre Deutsch habt Ihr bisher gelernt – und wie klappt die Verständigung jetzt im ‚Ernstfall‘ Austausch?

Ludivine und Tessa, auf alle französischen Austauschschüler verweisend: Wir lernen jetzt seit fünf bis sieben Jahren die deutsche Sprache.

Tessa: Das Verstehen war anfangs schwer, jetzt aber komme ich schon recht gut zurecht.

Die Liebe zur Sprache ist sicher ein wichtiger Motivationsfaktor. Habt Ihr denn besondere Lieblingswörter im Deutschen?

Paul: Moin.

Tessa: Das ist Wahnsinn.

Clement: Genau.

Neben schulischen Eindrücken konntet Ihr aber auch auf den Ausflügen, die das Austauschprogramm enthält, oder aber auf Stipvisiten mit Euren Gastfamilien Einblicke gewinnen. Was habt Ihr denn so gesehen?

Alle: Wir haben Bremerhaven besucht und das Klimahaus und das Auswandermuseum kennengelernt, Celle wegen des Schlosses aufgesucht, Bergen-Belsen gehörte ebenfalls zum Besuchsprogramm, Hamburg wurde privat erkundet. Nicht zu vergessen: Städtetouren natürlich durch Nienburg und durch Hannover,

Was wird Euch davon besonders im Gedächtnis bleiben?

Clement: Das Klimahaus – wegen der Tiere.

Tessa: Das Auswandererhaus. Da konnte man interaktiv etwas machen.

Paul: Bergen-Belsen war mir sehr eindrücklich.Und meine Gastfamilie, die gemeinsamen Unternehmungen.

Ludivine: Meine tolle Gastfamilie.

Neben den ganzen Erinnerungen und Eindrücken nehmt Ihr vielleicht ganz buchstäblich ein Stück Deutschland mit nach Frankreich. Verratet Ihr, was Ihr mit ins Gepäck nehmt?

Tessa: Marzipan kommt in mein Gepäck.

Clement: Ich nehme deutsches Bier mit nach Frankreich.

Ludivine: Ich nehme auch Bier mit – für meine Mama.

Paul: Haribo und deutsche Marmelade.

Wir danken für das Interview und freuen uns über Eure tollen Erfahrungen – und haben gelernt, dass Austauschprogramme wie dieses von viel Engagement und zahlreichen Faktoren leben, gespeist werden durch die Liebe zur Kultur und Sprache. Und, nicht zu vernachlässigen, wie wir abschließend erfahren haben, weil die Liebe auch durch den Magen geht. Na, denn: Prost und ’bon appétit‘!

Das Interview führte Thomas Volkhausen

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