Schüler der Albert-Schweitzer-Schule experimentieren im Unilabor
ASS-Schüler Malte und Mattes Dührsen absolvieren Experimentiertag im Chemielabor der Leibniz Universität
War es das wert, einen kostbaren schulfreien Tag zu opfern, um zu einem Experimentiertag der Leibniz-Universität zu gehen? Zunächst waren wir uns auch nicht sicher, aber wie ein chinesisches Sprichwort sagt: „Mit einem guten Freund an der Seite ist ein Weg nur halb so lang.”
Insofern waren wir bestens gewappnet für jenes Horrorszenario, in dem unsere Hoffnungen auf ein exzellent ausgestattetes Uni-Labor enttäuscht werden würde, in dem verrückte Wissenschaftler hinter mit Iriskameras verschlossenen Sicherheitstüren Gene manipulierten, Bösewichte an neuen Bakterien arbeiteten, mit denen sie die Weltherrschaft zu erringen trachteten, Alchemisten Gold herstellten und ein kleines, schüchternes Mädchen nebenbei aus Versehen die Weltformel berechnete.
Angekommen im Labor, treffen unsere Befürchtungen glücklicherweise nicht ein, sondern wir treffen stattdessen Sven Renas, der momentan an seiner Masterarbeit über Experimentiertage schreibt und Chemielehrer werden will. Nach einer Begrüßung durch seinen Professor, der uns erläutert, wie wir uns den Ablauf eines Chemiestudiums vorstellen können, werden wir genau wie im Chemieunterricht erst einmal mit einer Sicherheitseinweisung konfrontiert. Zum Glück sind wir nicht schwanger, sonst hätten wir mit manchen der Substanzen, die wir heute verwenden wollen, nicht arbeiten können. Trotz der langweiligen Sicherheitsbelehrung wird es jetzt fesselnd, denn nun kommen wir in Kontakt mit Sachen, die wir im Chemieunterricht an der Schule niemals sehen würden. Sie sind der Grund, die Frage, die uns hierher getrieben hat: Wie sieht echtes Experimentieren aus?
Das Ziel heute lautet: „Die Friedel-Crafts-Acetylese von Ferrocen“. Das macht schon einmal mehr her als Kupfer in den Gasbrenner zu halten. Acetylferrocen dient, neben anderen Substanzen, der Herstellung von Raketentreibstoff und Malariamedikamenten.
Bei der Prozedur gilt es, Acetyl an zwei bestimmten Stellen mit den Kohlenstoffringen, die das Eisenatom des Ferrocens umschließen, zu verbinden. Ausgestattet mit weißen Kitteln, Schutzbrillen und Latexhandschuhen, fühlen wir uns professionell genug, um die siebzehn Reaktionsschritte anzugehen, die die nächsten sechs Stunden in Anspruch nehmen werden: Ferrocen abwiegen, der Dichlormethan-Lösung zufügen, Sauerampfer und Drachenblut in den Rotationsverdampfer geben, eine Dünnschichtchromatographie mit Kapillarröhrchen herstellen. Welches Lösungsmittel ist das beste? Calciumdichlorid zum Entfeuchten der Luft ins Trockenröhrchen füllen!
Das Labor hat eine tolle Aussicht, wir schweben über den Bäumen des Parks um die Leibniz-Universität, während das erste teure Glasinstrument zerbricht. Die Phasentrennung produziert eine orangefarbene und bananengelbe Tönung, ein Vorzeigeversuch, sehr schön. Jetzt haben wir eine lange Pause, das Gemisch muss zwei Stunden in die Vakuumdestille. Gerade lang genug, um in der allen Vorurteilen zum Trotz vorzüglichen Mensa gratis zu essen. Zurück im Labor, platzt, kaum dass Herr Renas kurz um die Ecke gegangen ist, der Wasserschlauch des Rotationsverdampfers. Sein Laborkollege, der bis jetzt intensiv mit dem Bildschirm seines Computers beschäftigt gewesen ist, lehnt sich hinter dem Vorhang hervor und kommentiert in hektischer Stimme: „Ey, mach das mal aus, schnell!”, während Wasser in Richtung teurer elektronischer Laborinstrumente spritzt. Gut, ausmachen, genau, ehm, wo genau ging das nochmal? Plötzlich fühlen wir uns wie vier Pinguine in Kitteln. Ratlos drehen wir unsere Schnäbel zueinander, blicken dann zum Vorhang. Der Herr, sich nun langsam der Tatsache gewahr werdend, dass wir keine Ahnung haben, springt nun selbst auf, um die Situation zu deeskalieren. Zum Glück bleibt alles heil.
Im Nachbarlabor erhalten wir dann endlich im letzten Schritt ein paar Gramm eines blutroten Pulvers, das wir im mehrere Millionen Euro teuren Magnetresonanztomographen testen lassen. Experiment geglückt, es ist Acetylferrocen.
Jetzt brauchen wir nur noch ein Stück von der Person, in die wir uns verwandeln wollen.
Die Abendsonne sinkt über den Wipfeln, während Herr Renas freundlich unsere letzten Fragen beantwortet. Dank unserer kleinen Gruppe haben wir dafür sehr viel Zeit. Sein aufregendster Moment als Chemiker? Zum ersten Mal einen Stoff, der noch nie existiert hat, erzeugen und erforschen. Das wünschen wir uns auch, vorläufig aber qualmen unsere Fußsohlen – sechs Stunden im Labor spüren wir jetzt in unseren Beinen!
Der Experimentiertag ist eine einzigartige Gelegenheit zu erfahren, wie echtes Experimentieren aussieht. Man erfährt etwas über jene Seite der Geschichte, die der Schulunterricht und die Medien nicht erzählen können. Wer das selbst erfahren möchte: Die Experimentier-Tage der Leibniz-Universtität finden regelmäßig statt und sind speziell für Schüler gedacht.
Matthes und Malte Dührsen, Albert-Schweitzer-Schule, Nienburg