Schriftsteller Markus Thielemann kehrt mit Romanlesung an ASS zurück

„Von Norden rollt ein Donner und verhallt. Blitzlos. Keines der Tiere zuckt, auch der Hirte nicht. Er schaut nicht einmal auf, trottet weiter. Langsam, als würde die Zeit um sie träger fließen, ziehen sie hinaus über das verblühte Land, sacht gewellte Ödnis, gefärbt von braun verholztem Kraut und Sand, wo nichts emporragt außer den Wacholdersträuchern, zerbrochenen Säulen gleich. Sein Name ist Jannes Kohlmeyer, er ist neunzehn Jahre alt.” Atmosphärisch dicht und düster-bedrohlich wird gleich auf den ersten Buchseiten ein Schauplatz geschaffen, in dem ausgerechnet die Romanfigur eines jungen Schäfers Gestalt annimmt, Vertreter eines Berufes, der wie kaum ein anderer mit Idylle und Friedfertigkeit, Schutz und Tradition verbunden wird. Und je mehr diesem und seinem Schicksal Sprache gegeben wird, desto klarer umrissen erscheint vor den Augen und im Geiste der Zuhörer die Gestalt des jungen Autors, der gerade aus seinem auf der Shortlist des Deutschen Buchpreises 2024 geführten und vom NDR zum Buch des Monats Juli 2024′ erklärten Roman vorträgt.
Autorenlesung an der Albert-Schweitzer-Schule/Ehemaliger ASSler Markus Thielemann liest aus seinem für den Deutschen Buchpreis nominierten Roman >Von Norden rollt ein Donner<
Nicht Jannes Kohlmeyer, sondern Markus Thielemann heißt er, Schauplatz ist nicht die zwielichtig dargestellte Lüneburger Heide, sondern das Halbdunkel des prächtigen Giebelsaals der Albert-Schweitzer-Schule, und der „Held“ blickt hier nicht auf träge Schafe, sondern sitzt vor rund 70 aufmerksamen Schülerinnen und Schülern aus den Deutschkursen des Jahrgangs 13. Am Donnerstag, dem 30. Januar, gastierte der Autor Markus Thielemann nämlich im Rahmen seiner quer durch Deutschland führenden Lesereise in der Albert-Schweitzer-Schule, um aus seinem Roman >Von Norden rollt ein Donner< vorzutragen. Und damit ist er an alter Wirkungsstätte. Denn der nunmehr 32 Jahre alte Wietzener besuchte vor nicht allzu langer Zeit die Albert-Schweitzer-Schule und machte dort sein Abitur, bevor er Geografie und Philosophie in Osnabrück, anschließend Literarisches Schreiben in Hildesheim am Hildesheimer Literaturinstitut studierte und inzwischen in Hannover wohnhaft ist. Nun führt sein Weg zurück in seine alte Heimat, pünktlich zum 500-jährigen Schuljubiläum seiner Albert-Schweitzer-Schule und dem 1000-jährigen Stadtjubiläum Nienburgs. Und das ausgerechnet mit einem Anti-Heimat-Roman – allerdings auf die Lüneburger Heide und seinen Romanhelden Jannes bezogen.
Zum Inhalt des Romans: „Von Norden rollt ein Donner“ erzählt von Jannes, einem jungen Schäfer in der Lüneburger Heide. Als Wölfe zurückkehren und Schafe reißen, heizt sich die Stimmung im Dorf auf und politische Spannungen drohen in Selbstjustiz zu münden. Jannes zieht sich in die Heide zurück, wo eine rätselhafte Begegnung ihn mit der verdrängten Vergangenheit der Region konfrontiert. Der Roman thematisiert Heimat, Gewalt und die dunklen Seiten einer scheinbar idyllischen Landschaft.
Thielemann wählte für seine Lesung aus seinem nach >Zwischen den Kiefern< (2021) zweiten Roman, 2024 erschienen, Passagen, die weniger handlungstreibend angelegt waren, sondern von einer oft beklemmend wirkenden Sprachgewalt lebten, in der das vordergründig Beschriebene eine zweite, sinnbildliche Ebene aufwies. Manche der Zuhörer hatten hier mehr Spannung und mitreißende Geschehnisse erwartet, doch viele erkannten, dass die Intention eher in der atmosphärischen Beschreibung lag. Spannend fanden die angehenden Abiturienten die Person des Schriftstellers und ehemaligen ASSlers. „Gerade, dass Thielemann so menschlich und echt wirkte, kam positiv an”, freute sich Stephanie Wittkugel, Fachobfrau Deutsch, die die Lesung organisiert hatte. Eine Schülerin, die im Herbst auf einer Lesung des Autors in Hoya gewesen war, fand es bemerkenswert, dass Thielemann sich so gut auf die Schülerschaft als Publikum eingestellt habe, z.B. in seiner Ausdrucksweise.
Und das spiegelt sich auch in den Rückmeldungen der Schüler nach der Lesung wider. „Die Atmosphäre war sehr gelassen, es war spürbar, dass sich Thielemann in seiner alten, vertrauten Umgebung befindet”, schildern Laura und Sinja ihr Empfinden. „Nachdem sich der junge Autor aus Wietzen an die Zeit an seiner ehemaligen Schule zurückerinnert hat und anfängliche Unsicherheit überwunden war, öffnete er sich und sein Buch. Beim Vorlesen der ersten Seiten tauchten wir gemeinsam in die detailliert beschriebene Landschaft der Lüneburger Heide ein, in der die Geschichte des Schäfers Jannes spielt”, fassten Leela und Lina ihre Eindrücke zusammen. Lilly ergänzt: „Nahbar und menschlich‘‘ wirkte er. Thielemann erzählt erfrischend ehrlich von den Schwierigkeiten, Autor zu werden, und den Unsicherheiten der Anfänge.”

Im Anschluss an die Lesung nämlich nutzten viele Schüler die Möglichkeit, dem Schriftsteller Fragen zu stellen. Lehrerin Wittkugel erzählt: „Weil der Autor so offen und ehrlich bleibt und eingesteht, dass ihn Uni und das Literatur-Institut zunächst ziemlich eingeschüchtert hätten, trauten sich die Schülerinnen und Schüler der ASS schnell, Fragen zu stellen.” So hebt Lilly hervor: „Er nahm sich für jede einzelne Frage Zeit, so konnte mal ein Autor von einer völlig anderen Seite kennengelernt werden. Ein Autor ist eben doch nur ein ganz normaler Mensch. Geduldig beantwortete er Fragen zu Finanzen, dem Schreibprozess und auch der Arbeit im Verlag. Sein Weg macht den Schülern Mut und ist für sie besonders greifbar, da er vor etwa 12 Jahren selbst Abitur an der ASS gemacht hat.” Als Thielemann bemerkte, dass er wie einige der vor ihm sitzenden Schüler des 13. Jahrganges immer mit dem Bus aus Wietzen zur Schule gefahren sei, habe er sich sofort nahbar für die Jugendlichen gezeigt, ergänzt Frau Wittkugel. Auch, dass er nicht sofort gewusst habe, was er nach dem Abitur machen sollte. Wie er das mit den realen Fakten und der Fiktion in seinem Roman gehalten habe, fragen sie, und Thielemann erzählt von gründlichen Nachforschungen zur Heidelandschaft, zum Wolf, zum Beruf des Schäfers, die die Basis seines Romans bilden. Ob er Botschaften, die er mit seinem Roman vermittelt möchte, schon im Vorfeld angestrebt habe, oder ob sich diese im Schreibprozess herauskristallisierten, lautet eine Frage. Eigentlich habe er eine Geschichte über den Wolf schreiben wollen, die weiteren Aspekte seien im Schreibprozess durch die vertiefte Recherche dazugekommen, so der Autor.

Ob denn mit dem Studium sein Lebensweg Schriftsteller begonnen habe. Nein, mit dem Studium Geografie habe die Idee, Autor zu werden, in weiter Ferne gelegen. Erst mit dem Studium des literarischen Schreibens, guter Rückmeldungen, viel Glück und harter Arbeit sei schließlich mit >Von Norden rollt ein Donner< der Durchbruch gelungen.
Für wohl viele der Zuhörer fasst Lilly die Autorenbegegnung zusammen: „Das macht Mut. Danke, dass sie da waren, Herr Thielemann.”
Ein besonderer Dank gilt ebenfalls dem Förderverein der Albert-Schweitzer-Schule, der mit der Finanzierung der Lesung Thielemanns dessen Vortrag ermöglicht hat.
Vh