Gleich zwei Höhenflüge mit der ‚Chinesischen Nachtigall‘

Musical-Aufführung ‚Die chinesische Nachtigall‘ an Albert-Schweitzer-Schule reißt Zuschauer und Darsteller mit/ Humor- und schwungvolle Inszenierung der  Chor-AG der Klassen 5-7 sorgt zweimal für ein volles Haus

 

Untertanen des Kaisers von China demonstrieren für die Rückkehr ihrer natürlichen 'Chinesischen Nachtigall'

Untertanen des Kaisers von China demonstrieren für die Rückkehr ihrer natürlichen ‚Chinesischen Nachtigall‘

Aufgepasst beim Sommerurlaub! Im Schwarzwald durchstreifen Sie Nadelwälder voll Christbaumkkugeln und Lametta. Im Hintergrund hören Sie die Nachtigall bellen. Aus jedem Baum tönt das ‚Jingle Bells‘. Und beim Blick in die Höhe sehen Sie kein Eichhörnchen, sondern  Schwarzwälder Kuckucksuhren aus Polen in den Wipfeln thronen. Wer sich das ‚Raus in die Natur!‘ ganz anders vorgestellt hatte, musste sich hier wie im falschen Film fühlen. Oder, genau richtig, in der Musical-Aufführung ‚Die Chinesische Nachtigall‘, frei nach Hans Christian Andersen! Dieses Musical-Märchen von Andreas Schmittberger wurde nämlich in der letzten Woche gleich zweimal in der Pausenhalle der ASS am Nordertorstriftweg aufgeführt.Gemessen an dem überwältigenden Zuspruch und donnerndem Schlussapplaus seitens der Zuschauer in beiden Vorführungen darf man dem Publikum zweierlei bescheinigen: Ein natürliches Missfallen an der im Stück kritisierten Künstlichkeit – und ein feines Gespür für echte, unverstellte und natürliche Freude an Musik und Spiel der jungen Darsteller!

Unterhaltsame Darstellung, passende musikalische Begleitung: Szene aus der 'Chinesischen Nachtigall' mit 'Kaiserlicher Oberhofkapelle' im Vordergrund

Unterhaltsame Darstellung, passende musikalische Begleitung: Szene aus der ‚Chinesischen Nachtigall‘ mit ‚Kaiserlicher Oberhofkapelle‘ im Vordergrund

Die Chor-AG für Fünft- bis Siebtklässler unter der Leitung von Christina Hinzmann-Suckel und Elisabeth Vogels hatte in den vergangenen Wochen nämlich mit großem Eifer an dem Musical über den Wettstreit zweier grundverschiedener Nachtigallen geprobt. Das aufwendige Bühnenbild (hervorragend gelungen dank Edda Hermann-Scheefe) und die kunstvollen Kostüme waren in bewundernswerter Feinarbeit hergestellt worden und brauchten den Vergleich mit professionellen Musicals nicht zu scheuen.  Außerordentlich geglückt war auch die musikalisch-atmosphärische Begleitung durch die ‚Kaiserliche Oberhofkapelle‘: Im Wettstreit zwischen japanischer und chinesischer Nachtigall, zwischen Technik und Natur, galt es, den Ton richtig zu treffen. Wie konnte man dem Zuhörer die Künstlichkeit der japanischen Nachtigall ins Ohr dringen lassen, wie der Natürlichkeit der chinesischen Nachtigall Ausdruck verleihen? Frederick Beyer (E-Gitarre, Keyboard), Moritz Jüngling (E-Bass) und Lennard Thies (Schlagzeug)  wie auch Anke Kuhlmann (Blockflöte), Dirk Vogelsang (Saxophon), Elisabeth Vogels (Klavier) und Christina Hinzmann-Suckel (Percussion und Leitung) gelang dies sehr feinfühlig etwa mit ‚mal rhythmisierend-harten Tonfolgen, ‚mal mit harmonisch-weichen Klängen. Freude an dieser gelungenen musikalischen Umsetzung spiegelte sich denn auch in vielen Gesichtern im Publikum. Rechte Freude aber wollte zunächst bei einer Person nicht aufkommen – ausgerechnet beim Kaiser von China! Woran das lag?

Beste Unterhaltung gleich an zwei Abenden an der ASS. Die Mitglieder der Chor-AG für 5. bis. 7. Klassen (sortiert nach Rollen): Emilia Wacher, Michelle Burau, Famke Stolte, Emma Müller, Anna-Sophie Löhr, Paula Koch, Leonie Friedenberg, Eric Vogelsang, Clara Lindemann, Paul-Jasper Beck, Lena Zeidler, Lotta Henatsch, Martje Rust, Christina Fleetjer, Marie Hainke,  Meret Brandes, Stina Borrmann, Felina Rinne, Marie-Luise Schmidt, Maja Fleischer, Charlotte Vogels, Pia  Fleischer.

Beste Unterhaltung gleich an zwei Abenden an der ASS. Die Mitglieder der Chor-AG für 5. bis. 7. Klassen (sortiert nach Rollen): Emilia Wacher, Michelle Burau, Famke Stolte, Emma Müller, Anna-Sophie Löhr, Paula Koch, Leonie Friedenberg, Eric Vogelsang, Clara Lindemann, Paul-Jasper Beck, Lena Zeidler, Lotta Henatsch, Martje Rust, Christina Fleetjer, Marie Hainke, Meret Brandes, Stina Borrmann, Felina Rinne, Marie-Luise Schmidt, Maja Fleischer, Charlotte Vogels, Pia Fleischer.

Eigentlich lebte der Kaiser von China (souverän gespielt von Famke Stolte bzw. Emma Müller) ja ganz zufrieden in seinem Palast. Er ist reich, verfügt über einen wunderbaren Hofstaat, einen lieblichen Garten – einfach märchenhaft! Und dann kann er auch noch diese Nachtigall, die im Park so wunderschön singt, sein Eigen nennen – wer würde da nicht sein Glück für vollkommen halten?! Wäre – ja: wäre da nicht der Kaiser von Japan, dem Land, in dem angeblich alles besser ist. Dieser der Angeberei nicht gänzlich abgeneigte japanische Tenno (herrlich prahlerisch interpretiert von Marie-Luise Schmidt bzw. Leonie Friedenberg) macht ihm ein Geschenk: eine künstliche Nachtigall, perfektioniert durch ausgefeilte Algorithmen und unzählige Zusatzfunktionen! Als dann beide Vögel im Gesangswettstreit gegeneinander antreten, scheint die Technik über die Natur zu siegen. Ein Kampf um Leben und Tod, bei dem lange das Leben des chinesischen Kaisers auf dem Spiel steht!

Schmittbergers ‚Chinesische Nachtigall‘ greift Hans Christian Andersons Märchenstoff auf und schneidert daraus das Gewand für ein modernes Musicalmärchen, das mit Seitenhieben auf absurde Abwege der Globalisierung und Auswüchse heutigen Technikwahns nicht spart. Und dieses Musicalgewand um die Rückbesinnung auf Natürlichkeit füllten die Schülerinnen und Schüler der Chor-AG mit Leben und darstellerischem Geschick. Herrlich ins Licht gesetzt von Henrike Vogels bzw. Denis Busse, glänzte die grau gewandete chinesische Nachtigall, gespielt von Emilia Wacher bzw. Michelle Burau, durch ihren einfühlsam vorgetragenen Gesang, während Meret Brandes bzw. Famke Stolte die künstliche japanische Nachtigall mit marionettenhaften Bewegungen und abrupt abbrechendem Gesang wie eine auslaufende Spieluhr wirken ließen. Und das Publikum wusste die gesangliche und textliche Leistung der Schülerinnen und Schüler, die derzeit ja viele Klassenarbeiten schreiben und dennoch mit großem Einsatz zum Teil sehr umfangreiche Sprechrollen einstudiert hatten, sehr wohl zu schätzen. Der Beifall galt genauso den beteiligten Lehrerinnen, ohne deren außerordentliches Engagement die Aufführungen nicht hätten gelingen können.
Wer aufgepasst hat, weiß: Mit Schmittbergers ‚Nachtigall‘ beschäftigt nach Strauss‘ ‚Fledermaus‘  nun bereits das zweite Nachtgetier Schülerinnen und Schüler der ASS.  Bei ihrem Besuch in der Staatsoper hatte die AG ‚Tatort Oper‘ die Umsetzung von Strauss‘ Operette ‚Die Fledermaus‘ als Bauchlandung empfunden. Deutlich anders enden die Flugversuche der Chor-AG bei Schmittbergers ‚Chinesischer Nachtigall‘: Nachdem diese lieblich den Kaiser vom Totenbett rettet,  erweckt der donnernde Schlussapplaus beinahe Tote zum Leben. Fazit: Höhenflug mit der Nachtigall – und das an gleich zwei Abenden!

Thomas Volkhausen

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