75 Jahre Albert-Schweitzer-Schule

Albert-Schweitzer-Schule begeht Festakt zum 75. Jubiläum der Namensgebung

Albert
Albert Schweitzer

Das heute als Albert-Schweitzer-Schule bekannte Nienburger Gymnasium blickt auf eine fast 500-jährige Geschichte zurück. Die Schule wurde zunächst als Lateinschule gegründet; 1829 wurde sie „Königlich Höhere Bürgerschule“ mit „Progymnasium“ und danach im Dritten Reich eine Oberschule für Jungen. Im Jahr 1949, vier Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs, erhielt sie als erste deutsche Schule den Namen des Musikers, Theologen, Arztes und Philosophen Albert Schweitzer. Aus diesem Anlass, dem 75-jährigen Jubiläum der Namensgebung, fand am 12. Juni 2024 im Giebelsaal des Altbaus ein Festakt statt.

In seinem Grußwort betonte Schulleiter Dr. Wegener die Verantwortung für die lange Tradition der Schule und für die Philosophie, die für den Namen Albert Schweitzers steht. Er erinnerte an den ehemaligen Direktor, Oberstudienrat Hans Zenker, der die Schule in den späten 40er Jahren leitete. Zenker, der als Ideologiekritiker von den Nationalsozialisten verfolgt worden war, kannte Albert Schweitzer seit Jahrzehnten persönlich und erhielt von ihm die Erlaubnis für die Namensgebung.

Hans Zenker

Der stellvertretende Bürgermeister der Stadt Nienburg, Klaas Warnecke, wies darauf hin, dass Albert Schweitzer, was oft vergessen wird, als Elsässer die französische Staatsangehörigkeit besaß, und lobte die Förderung der deutsch-französischen Freundschaft durch den Frankreichaustausch der Schule. So spiegle sich die humanistische Philosophie Schweitzers im menschenfreundlichen Leitbild der Schule.

Der Landrat des Landkreises Nienburg, Detlev Kohlmeier, der selbst Schüler der ASS gewesen war, würdigte in seinem Grußwort die Leistungen des institutionellen und gesellschaftlichen Neuanfangs und Neuaufbaus nach dem Ende des Dritten Reichs, der dem zerstörten Land ein „Rückgrat“ gegeben und Orientierung geschaffen habe. Die Wahl des Namens „Albert Schweitzer“ gehe einher mit einem Wertegerüst, mit dem man sich identifiziere. Albert Schweitzer, der seine Zustimmung zur Namensgebung bereits zu Lebzeiten gegeben habe, wäre mit der Entwicklung der Schule zufrieden gewesen. Kohlmeier wies in diesem Zusammenhang auf die vielfältigen Talente und Interessen Schweitzers als Musiker, Theologe, Mediziner und Philosoph hin, die mit dem weit gefächerten schulischen Angebot an der ASS einhergingen. Schweitzer habe sich insbesondere durch sein humanitäres Menschenbild ausgezeichnet, was ihn als Namensgeber für die ASS attraktiv gemacht habe. Als Idol der Friedensbewegung wäre Schweitzer heutzutage ein überzeugter Europäer, da er sich zeitlebens für Völkerverständigung, internationale Zusammenarbeit, Bildung und Humanität eingesetzt habe.

Die Festrede wurde vom Vizepräsidenten der Internationalen Vereinigung für das Werk von Dr. Albert Schweitzer in Lambarene, Herrn Dr. Roland Wolf, gehalten. Dr. Wolf informierte über den historischen Fakt, dass Albert Schweitzer bei der Namensverleihung in Nienburg aufgrund einer Vortragsreise in den USA nicht habe anwesend sein können. Er verzichtete auf die persönliche Ehrung und habe es vorgezogen, Vorträge über Goethe zu halten, um Geld für sein Hospital in Lambarene zu verdienen. Albert Schweitzers Popularität in den USA, die die Finanzierung des Hospitals in Lambarene in den Jahren des zweiten Weltkriegs sehr unterstützt hatten, war enorm und übertrug sich auch auf Europa, denn hier habe man nach dem zerstörerischen Krieg eine moralische und sinnstiftende Instanz gesucht und sie in Albert Schweitzer gefunden. Die Welt habe ihn als Deutschen gefeiert, da er Deutsch sprach und schrieb, obwohl er als Elsässer seit 1919 offiziell Franzose war. Sein Engagement in Lambarene und in Sachen Abrüstung und Frieden brachten Albert Schweitzer etliche Ehrungen ein. 1952 erhielt er den Friedensnobelpreis, bereits ein Jahr zuvor den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels.

Theaterstücke und Filme unterschiedlichster Qualität über Albert Schweitzer wurden produziert, Biografien, Kinder- und Jugendbücher sowie Artikel zu Albert Schweitzer erschienen in hoher Zahl. Teilweise, so Wolf, seien die Werke einer Heiligenverehrung gleichgekommen. Eine erste Kritik an Albert Schweitzer sei erst in der zweiten Hälfte der 50er Jahre aufgekommen, als er sich gegen die atomare Aufrüstung aussprach. Angegriffen wurde Schweitzer auch von afrikanischer Seite dafür, dass er den Unabhängigkeitsbestrebungen der afrikanischen Kolonien skeptisch gegenüberstand, da er meinte, dass einige Länder noch nicht reif genug für eine Autonomie gewesen seien. Dass Schweitzers Popularität trotzdem enorm gewesen war, machte Wolf auch an der Menge von Briefen fest, die Schweitzer aus der Bevölkerung, aber auch von Schulklassen geschickt worden waren. Insgesamt erhielten nach der Albert-Schweitzer-Schule in Nienburg noch etwa 200 weitere Schulen den Namen.

Dr. Wolf betonte, dass Albert Schweitzer auch heute noch für Schülerinnen und Schüler aufgrund seiner Zielstrebigkeit eine große Vorbildfunktion besitze: Der junge Albert Schweitzer habe sich angesichts seiner glücklichen Lebensumstände vorgenommen, bis zum 30. Lebensjahr für die Wissenschaft und die Kunst tätig zu sein. Danach wollte er seinen Dienst am Mitmenschen beginnen. Mit 24 wurde Albert Schweitzer Doktor der Philosophie, ein Jahr später promovierte er als Theologe und arbeitete bis zu seinem 30. Lebensjahr an der Universität in Straßburg. Im Anschluss begann er ein Medizinstudium, um als Entwicklungshelfer nach Afrika zu gehen, wo dringend Ärzte gebraucht wurden. Er erwarb im Alter von 37 Jahren den Doktortitel und ging ins zentralafrikanische Gabun, wo er 1913 im kleinen Ort Lambarene den Aufbau seines berühmten Spitals begann, das er selbst durch das Verfassen von Büchern, Artikeln und Vorträgen sowie durch das Sammeln von Spenden finanzierte. Dort wirkte er bis zu seinem Tod im Jahr 1965. Vorbildhaft für Schulen sei ebenfalls Schweitzers Philosophie von der „Ehrfurcht vor dem Leben“, die eine enge Beziehung zur Umwelterziehung und zum Umweltschutz habe. So habe sich Schweitzer bereits damals gegen die Inhumanität bei Tiertransporten, unnötige Grausamkeit in Schlachthäusern, Stierkämpfe oder unnötige Tierversuche gewandt. Schweitzer sei keineswegs Vegetarier gewesen, aber er habe immer dazu aufgefordert, gedankenlosen Fleischkonsum zu vermeiden. Auch in der zersplitterten Welt von heute gebe Schweitzer, obwohl er bereits vor fast 60 Jahren gestorben ist, allen Menschen, ob sie religiös sind oder nicht, eine kulturübergreifende Lebensorientierung, die uns in die Zukunft führen könne, denn die Ehrfurcht vor dem Leben habe Einfluss auf alle gesellschaftlichen Bereiche, also auch auf die schulische Bildung.

Umrahmt wurde das Programm von dem Streicher- und Handglockenensemble der Albert-Schweitzer-Schule, die „Jesus bleibet meine Freude“ von Johann Sebastian Bach spielten, der Schülerin Luise Thiele, die „Csardas“ von Vittorio Monti intonierte und der Schülerin Katie Kay, die „Part of Your World“ von Alan Menken sang. Die Klasse 6b unter der Leitung von Christina Suckel spielte Szenen aus dem Musical „Abenteuer Lambarene“ und sang aus dem gleichnamigen Werk die Titel „Der Albert ist ‚ne Schande“ und „Jetzt ist der Albert komplett verrückt“.

Im Anschluss an den Festakt fand in der Pausenhalle ein Beisammensein mit Gesprächen, Getränken und kleinem Buffet statt, das der 12. Jahrgang der Schule organisiert hatte.

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