Aktueller Bericht aus Indien über die Überschwemmungen

Die Lage in den von den Überschwemmungen betroffenen Gebieten in der Region unserer Partnerschule ist nach wie vor dramatisch.
Viele Leute in der Großstadt Chennai hungern und erste Seuchen sind ausgebrochen. Die medizinische Versorgung ist katastrophal. Es gibt nach wie vor sehr wenig Hilfe für die betroffenen Menschen.
Details dazu kann jeder in dem Bericht direkt aus Indien nachlesen. Eine Übersetzung ins Deutsche findet sich weiter unten.

Ich finde es wichtig, dass dieser Bericht hier öffentlich gemacht wird, da man nach wie vor in unseren Medien sehr wenig Informationen über diese Katastrophe bekommt – und das obwohl unglaublich viele Menschen betroffen und bedroht sind. Chennai hat laut Father Suresh aktuell 6 Millionen Einwohner (Wikipedia sagt 4,3 Millionen nach der Zählung von 2011) – aber es ist ja nicht nur Chennai betroffen sondern die ganze Region – zum Vergleich: Niedersachsen hat laut Wikipedia 7,8 Millionen Einwohner…
Was würden wir erwarten / hoffen, wenn ganz Niedersachsen länger als einen Monat unter Wasser stünde?

Mich macht der Bericht sehr betroffen und nachdenklich.

Ich hoffe, dass wir bald berichten können, dass die Situation sich für die betroffenen Menschen bessert.

Hilde Munk

 

Brief / Bericht aus Indien, von Nandhini Krishnan, vom 14. 12. 2015:

 Bericht über die Flut in Chennai 2015

Liebe Freunde und Wohltäter

Viele Grüße von Fr. John Suresh und Nandhini Krishnan

Ich hoffe, daß es Ihnen gut geht und Ihre normale Arbeit gut voran geht.

Hier ist das Gegenteil der Fall, und solch eine Situation haben wir bisher noch nicht erlebt. Wir wissen nicht, wie wir das Alles erklären sollen, denn die Tragödie dauerte nicht nur einen Tag sondern einen ganzen langen Monat und sie ist noch nicht zu Ende. Wir wissen auch nicht, wie lange sie noch andauert. Schmerzerfüllt gebe ich Ihnen einen kurzen Bericht über unsere Menschen, die eine große Tragödie durchlebt haben und sozusagen im Krieg mit der Flut waren.

Beginn des Regens.

Der Regen begann langsam Ende Oktober, genau am 27. des Monats, und setzte sich fort. Noch vor DIWALI (dem indischen Erntedankfest) wurde er so heftig, daß die Regierung den 4. und 5. November zu arbeitsfreien Tagen erklärte. Am 6. November wurden die Schulen und Kollegien zwar wieder geöffnet, mußten aber am 7. November wieder geschlossen werden und blieben auch wegen des  starken cyclonischen Regens geschlossen bis zum 18. November.

Am 19. November wurden die Schulen und Kollegien für zwei Tage wieder geöffnet, mußten aber nach dieser zweitägigen Regenpause wieder geschlossen werden und der Regen bestimmte das Leben der Menschen erbarmungslos bis zum 7. Dezember. Diese zweite Regenfront traf Chennai schwer. Die ganze Stadt Chennai und auch die Vororte und Außenbezirke waren stark in Mitleidenschaft gezogen. Im Kancheepuram District, besonders in Chengalpattu, sowie in Madurantagam und auch im Thiruvallur District waren ganze Dörfer vom Wasser bedeckt.

Zur Stadt Chennai

Der größte Teil von Chennai sieht wie eine Insel aus. (In Chennai City wohnen 6 Millionen Menschen, und jeden Tag besuchen bzw. durchqueren weitere 4 Millionen Pendler und Touristen, die von Nord nach Süd unterwegs sind, die Stadt.)

Wenn es regnet, fließt das Wasser über folgende drei Flüsse bzw. Kanäle zum Meer: den River Adyar, den River Coovam und den Backingam Kanal. Aufgrund der anhaltenden heftigen Regenfälle sind die vier größten bzw. wichtigsten Seen Chennais voll. Diese Seen (Sembrampakkam,  Poondi, Porur und Puzhal) sind mit den oben genannten  Flüssen und Kanälen, die zum Meer führen, verbunden. Immer wenn die Seen voll sind, entweicht das Wasser in die Flüsse und Kanäle. Dieses Mal aber ist das Volumen des abzuführenden Wassers 10 Mal größer als normalerweise (für den Sembarampakkam See beträgt die übliche Wassermenge 40000 Kubikmeter, für den Puzhal See 29000 Kubikmeter). Hinzu kommt, dass das Meer von dem Zyklon stark aufgewühlt wurde. Infolgedessen konnte das Wasser nicht zügig zum Meer gelangen. Dieser Umstand sowie unentwegte, schwere Regenfälle führten dazu, dass das Wasser über die Ufer trat, so dass Chennai City vollständig überflutet wurde. Der Wasserstand innerhalb der Stadt beträgt zur Zeit 50 cm und ist somit der höchste seit über 107 Jahren.

Auswirkungen der Flut

In dieser Situation waren alle Straßen blockiert, einige Brücken waren eingestürzt und somit war jeglicher Transport auf Straßen unmöglich. Alle Züge und U-Bahnen wurden gestoppt, es gab keine Elektrizität und die Verbindungen aller Telekommunikationsunternehmen brachen zusammen. Die Menschen mussten erst wegen des anhaltenden Regens  für einige Tage in ihren Häusern bleiben. Als aber der Wasserspiegel auch in den Häusern stieg, mussten alle evakuiert werden. Sie fanden Zuflucht in Schulen, Theatern und anderen öffentlichen und privaten Räumen, wo immer dies möglich war. Da viele Teile Tamil Nadus Inseln geworden waren, konnte man nicht einkaufen gehen. Die Menschen begannen zu hungern und sie fingen an um Essen zu bitten. Einige, vor allem Kinder, verhungerten. Überall warteten die Menschen auf Hilfe. Die Menschen hatten fast ihr gesamtes Hab und Gut mit der Flut verloren, die armen Menschen sogar ihre Hütten.

Im berühmten Krankenhaus von Chennai, welches Miot genannt wird, starben 18 Patienten an Sauerstoffmangel, weil die Stromversorgung ausgefallen war und weder Benzin noch Diesel erhältlich waren. Das Wasser überflutete auch viele Krankenhäuser. In und um Chennai starben etwa 347 Menschen (es sind Daten der Regierung, genaue Zahlen sind nicht erhältlich, viele Menschen werden vermisst). Da das Wasser viele Krankenhäuser eingeschlossen hatte, wurden die Patienten mit Hilfe von Booten aus diesen in andere, staatliche Krankenhäuser verlegt. Da es zu viele Patienten gibt, ist die Anzahl an Ärzten nicht ausreichend, um alle zu behandeln. Wir wissen noch nicht, was mit den Patienten passieren wird.

Es ist sehr schmerzhaft, die Menschen, egal ob arm oder reich, auf der Suche nach Unterkunft, Lebensmitteln und anderen grundlegenden Dingen, welche sie zum Überleben brauchen, herumirren zu sehen. Es bricht das Herz zu hören, dass in einigen Teilen Chennais die Menschen sterben, weil sie weder Unterkunft noch Lebensmittel haben. Da die Flut überall ist, sind alle Straßen, wichtige Straßen wie die Nationale Hauptstraße NH 45, Bangaloru High Road, East Coast Road und Old Mahabalipuram Road eingeschlossen, stark  beschädigt  und blockiert. Deshalb kann niemand die Gegend verlassen und niemand kann zu uns kommen. Selbst der Flughafen wurde geschlossen  und alle Flüge wurden eine Woche lang abgesagt. Es konnte niemand zu Hilfe kommen, selbst wenn er wollte. Jetzt sind alle Straßen wieder geöffnet, außer der East Coast Road, wo die Palavakkam Gemeinde liegt.

 

Rettungsarbeiten

Davon abgesehen helfen viele gutherzige Menschen unabhängig davon, welcher Kaste oder Religion sie angehören, auf jede erdenkliche Art und Weise. Viele Leute haben sogar ihr eigenes Heim in kleine „Hilfszentren“ umgewandelt und Nachbarn bei sich aufgenommen.

Ebenso haben wir nach dem 2. Dezember mit Rettungsarbeiten jenseits des Buckingham Kanals angefangen. Gegenwärtig teilen wir dort Nahrung aus und versorgen die notleidenden Menschen mit dem Nötigsten.

Hier in Palavakkam ist insbesondere der Slum betroffen, eben jene Gegend, die unsere deutschen Freunde besucht haben. Manche Häuser sind völlig ausgewaschen worden durch die Fluten, andere sind komplett vom Erdboden verschwunden. Deshalb hat Vater Suresh diese Menschen zum Schrein mitgenommen, in dem er jetzt verantwortlich ist, hat ihnen dort in der Kirche Unterschlupf gewährt und sie mit dem Nötigsten versorgt. Sie sind hier nun schon länger als eine Woche, und wir tun für sie, was wir nur können. Deshalb konnte ich auch noch nicht nach Hause gehen, denn Vater Suresh braucht meine Hilfe ganz dringend. Andererseits konnte ich auch noch nicht meine eigene Heimat (Adyar und Kotoor) besuchen, obwohl die Flut dort anscheinend schlimmer gewütet hat, als in allen anderen Gegenden von Chennai. Wir waren wirklich geschockt, als wir einen besonderen Vorfall in unserem Hilfszentrum miterleben mussten.

Der Ort wird Semmencherry genannt. Nachdem wir dort Brottaschen ausgegeben hatten, wurde das Verpackungsmaterial in den Müll geworfen. Als wir gerade gehen wollten, sahen wir, wie ein kleiner Junge die Brotkrümel aus dem Verpackungsmaterial heraussuchte. Dieses Erlebnis hat uns zutiefst getroffen und wir weinten bitterlich.

Wir sind noch nicht von dieser Tragödie erlöst, denn aufgrund der Erderwärmung (El Nino) könnten  uns noch einige weitere Zyklone das Leben schwer machen, und wir wissen leider nicht was die Zukunft bringen wird. Der Preisanstieg vor allem für Grundnahrungsmittell ist horrend und vielen Menschen ist es nicht einmal möglich sich eine einzige Mahlzeit pro Tag zu leisten.

Unsere Aktivitäten während der Flut

Als die Menschen von der Flut eingeschlossen worden waren, begannen wir am 02. Dezember unsere Rettungs- und Unterstützungsarbeit. Nagaraj, Simon, Ich und ein paar Jugendliche der Palavakkam Gemeinde begleiteten Bruder John Suresh, um die Menschen aus der Flut zu retten. Wir retteten Diejenigen, die in Gefahr waren – insbesondere die Anwohner, die in der Nähe des Buckingham Kanals wohnen. Wir nahmen 200 Menschen mit uns und gaben Ihnen eine Unterkunft im unteren Teil der Kirche. Wir versorgten alle 200 Menschen mit Mittagessen. Als Andere erfuhren, dass Bruder John Suresh in seiner Gemeinde Unterstützung anbot, erhöhte sich noch in dieser Nacht die Anzahl der Menschen auf 500. Folglich kochten wir seit dieser Nacht Essen für 500 Menschen.

Am nächsten Tag (Donnerstag) kochten wir erneut für 500 Menschen und versorgten sie. Als wir unterdessen hörten, dass unsere Hilfe auch andernorts gebraucht werde, kochten wir zusätzliche Mahlzeiten und verteilten sie außerhalb unserer Gegend. Wir stellten Matratzen und Bettlaken für die Nacht zur Verfügung. Am Tag darauf (Freitag) führten wir unsere Unterstützungsarbeit auf dieselbe Weise fort, indem wir Essen und grundlegende Dinge bereitstellten. Wir kochten erneut für 500 Menschen Essen und darüber hinaus baten die Menschen aus Semmencherry um Bruder John Sureshs Hilfe, da sie nach drei Tagen ohne Essen am Verhungern seien und sie keinerlei Unterstützung erreicht habe. Somit versorgten wir auch sie mit Essen. Am nächsten Tag (Samstag) wurde die Unterstützung seitens unserer Einrichtung fortgeführt.Seit Sonntag hat sich die Zahl der Menschen bei uns auf 300 reduziert, da einige in ihre Unterkünfte zurückgekehrt sind. Unsere Unterstützungsarbeit wurde wie bisher die nächsten Tage für die verbleibenden 300 Menschen bis zum 10. Dezember (Donnerstag) fortgesetzt.

 

Tabelle zur Verteilung der Mahlzeiten:

Datum

Tag

Frühstück

Mittagessen

Abendessen

Gesamt

02-12-2015

Mittwoch

 

200

500

700

03-12-2015

Donnerstag

500

1000

1000

2500

04-12-2015

Freitag

1000

1000

1000

3000

05-12-2015

Samstag

1000

1000

1000

3000

06-12-2015

Sonntag

1000

1000

1000

3000

07-12-2015

Montag

1000

1000

1000

3000

08-12-2015

Dienstag

300

300

300

900

09-12-2015

Mittwoch

300

300

300

900

10-12-2015

Donnerstag

150

150

 

300

Gesamt

17300

             

 

Flut Hilfspakete

Fr. Suresh entschied sich Hilfspakete für die Menschen in und um seine Gemeinde herauszugeben. Auch betroffene Menschen in Außenbezirken wurden bedacht.  Ein Hilfspakt enthielt:

S. No

Particulars

 

Nos

INR

Total

1

Reis

 Rs.34/kg

5

34.00 INR

170.00 INR

2

Linsen

 

1

182.00 INR

182.00 INR

3

Öl

 

1

95.00 INR

95.00 INR

4

Brot

 

1

20.00 INR

20.00 INR

5

Vermicil

 

1

50.00 INR

50.00 INR

6

Matratze

 

1

150.00 INR

150.00 INR

7

Bett Tuch

 

1

170.00 INR

170.00 INR

8

Saree

 Für d. Frau

1

250.00 INR

250.00 INR

9

Dhothi

 Für d. Mann

1

180.00 INR

180.00 INR

10

Kekse

 

2

15.00 INR

30.00 INR

11

Teller

 

2

50.00 INR

100.00 INR

12

Topf

 

1

20.00 INR

20.00 INR

13

Große Tasche

 

1

30.00 INR

30.00 INR

14

Zucker

 

1

45.00 INR

45.00 INR

15

Salz

 

1

18.00 INR

18.00 INR

 16

Handtuch

 

    1

    40.00 INR

       40.00 INR

 

 

Total

1,550.00 INR

 

 

 

22,15 €

                 

 

HILFE ÜBER DEN BISCHOF

Fr. John Suresh hat außerdem Hilfspakete mit Brot, Keksen, Wasserflaschen, Bettüchern und trockener Kleidung zum Bischofshaus geschickt, so dass diese von dort an betroffene Gemeinden verteilt werden können, dazu 20 Planen zum Abdecken der Hütten in der Gemeinde Palnellore.

So läuft bei uns die Nothilfe und wir danken allen Spendern von ganzem Herzen für die Hilfe und großherzige Unterstützung, mit der wir diese notwendige Arbeit tun können. 

MEDICAL CAMP

Am Do, den 10. November, haben wir ein “medical camp” organisiert, da wegen der Überflutungen bereits an einigen Stellen Seuchen ausgebrochen waren. Das “medical camp” war offen für alle Leute. Viele Leute haben daran teilgenommen und haben davon profitiert. Medikamente wurden kostenlos zur Verfügung gestellt. Die Ärzte erläuterten den Menschen auch, wie sie sich schützen können und welche Vorkehrungen sie zu treffen haben, wenn sie krank werden, bzw. welche Maßnahmen sie dann als Ersthilfe ergreifen sollten.

FAZIT

Wir könnten noch Stunden über diese Tragödie sprechen, aber die Zeit lässt das nicht zu. Wie bereits oben erwähnt, sind unsere aktuellen Sorgen die Beschaffung und Verteilung von Lebensmitteln und die vorübergehende Unterbringung der Leute, denn dies sind im Moment die dringendsten Bedürfnisse. Nachdem wir uns einen detaillierten Überblick verschafft haben werden und nach einer grundlegenden Analyse der Bedürfnisse planen wir auch Hilfe beim Wiederaufbau gemäß unseren begrenzten Möglichkeiten.

Herzliche Grüße an alle! Bitte denkt an uns im Gebet!

 

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