Nienburg liegt ganz nah an meinem Herzen
Seit vielen Jahren wird die Albert-Schweitzer-Schule im Fach Englisch regelmäßig von englischsprachigen Fremdsprachenassistentinnen unterstützt, die jeweils für ein Jahr in Nienburg bleiben. Mit Rollenspielen, Sprachübungen oder Gesprächsgruppen wecken sie bei den Schülerinnen und Schülern Interesse an der Kultur und der Sprache ihres Heimatlandes und leisten einen Beitrag zu einem lebendigen und motivierenden Unterricht.
Nach einem Jahr an der ASS fährt die australische Fremdsprachenassistentin Sarah Gavranich nun zurück ins heimatliche Brisbane. Wie sie ihre Zeit in Nienburg empfunden hat, verrät sie in einem Interview, das sie Schülerinnen und Schülern der ASS am Tag vor ihrer Abreise gegeben hat.
Sarah, kannst du dich bitte kurz vorstellen und erklären, wie es dich nach Nienburg verschlagen hat?
Mein Name ist Sarah Gavranich. Ich bin 22 Jahre alt und komme aus Brisbane in Australien. Ich habe vier Geschwister, auf die ich mich schon sehr freue. Die erste Fremdsprache an unserer Schule zu Hause ist Chinesisch. Ich musste also die ersten sechs Schuljahre Chinesisch lernen und in der siebten Klasse hatte ich dann die Wahl, eine zweite Fremdsprache zu lernen. Darunter waren auch Japanisch oder eben Deutsch. Da ich schon eine asiatische Fremdsprache konnte und meine Familie europäische Wurzeln hat, wollte ich unbedingt eine europäische Sprache lernen und da fiel die Wahl auf Deutsch. Mit 16 habe ich an einem Austausch mit Deutschland teilgenommen und sechs Wochen bei einer Familie in der Nähe von Frankfurt verbracht. Die Gastfamilie und das Leben in Europa haben mir so gut gefallen, dass ich unbedingt zurück wollte. Nach meiner Schulausbildung bin ich dann für ein Jahr als Austauschschülerin in Wien gewesen. In Österreich zu leben, war eine sehr interessante Erfahrung für mich und ich habe in diesem Jahr unglaublich viel gelernt. Da fiel die Entscheidung nicht schwer, nach meiner Rückkehr in Brisbane Deutsch zu studieren. Nach meinem ersten Examen habe ich von meinem deutschen Professor zufällig von dem Programm für Fremdsprachenassistenten gehört und mich sofort beworben. Meine erste Wahl war Niedersachsen, denn hier spricht man bekanntlich Hochdeutsch. Hessisch und Österreichisch kannte ich ja schon. Als ich gehört habe, dass es für mich nach Nienburg geht, musste ich erstmal googlen.
Wie ist es dir nach deiner Ankunft ergangen?
Ich habe mich von Anfang an in Nienburg total wohlgefühlt. Ich hatte an der Schule mit Geka Eser zum Glück eine tolle Betreuungslehrerin, die sich wirklich sehr um mich gekümmert hat und dafür gesorgt hat, dass ich bereits am ersten Abend viele Englischlehrer und junge Referendare kennengelernt habe. So hatte ich von Anfang an Leute, mit denen ich etwas unternehmen konnte, und bald wurden viele zu wirklich guten Freunden. Ich war jeden Mittwoch Volleyball spielen, bin oft ins Theater auf dem Hornwerk, ins Theater nach Bremen oder auf Konzerte gegangen, habe mich mit meinen neuen Freunden getroffen oder Ausflüge gemacht. Außerdem habe ich im Schulchor mitgesungen, beim Kulturabend der ASS, der Ausstellungseröffnung von „Kunst im Krankenhaus“ oder beim Indienprojekt der ASS mitgemacht. Dann habe ich auch noch meinen eigenen Konversationskurs für die 11. und 12. Klasse geleitet und auch noch an weiteren AGs der Schule teilgenommen. Über Langeweile konnte ich mich wirklich nicht beklagen. Und auch die Schüler waren immer sehr nett zu mir. Viele haben mich jeden Morgen fröhlich mit „Hello Sarah!“ gegrüßt. Das hat mich immer sehr gefreut.
Wie unterscheidet sich das Leben in Nienburg vom Leben in Brisbane?
Da gibt es so viele Unterschiede, dass ich hier nur ein paar nennen kann. Neu war für mich, dass man in Nienburg so viel mit dem Rad fährt. Zuhause in Australien nehme ich immer das Auto, weil alles so weit weg ist und unser öffentliches Verkehrsnetz sehr schlecht ausgebaut ist. Wenn ich in Australien zur nächsten Bus- oder Bahnhaltestelle will, muss ich 20 Minuten mit dem Auto fahren. In dieser Zeit erreiche ich in Nienburg alles bequem mit dem Fahrrad und es macht obendrein noch Spaß, wenn das Wetter mitspielt. Bei uns in Brisbane ist es selbst im Winter angenehm warm und meist sonnig, während der Winter hier für sonnenverwöhnte Australier unglaublich kalt und grau ist. Dafür ist es beeindruckend, den Frühling zu erleben. Die Schulen in Australien sind meist viel größer als hier und auch viel moderner und besser ausgestattet. Ich finde es toll, wie es die Lehrer in Deutschland schaffen, mit so wenig Technik im Klassenraum und so vielen Schülern in einer Klasse einen guten Unterricht zu machen. Da habe ich mir einiges für später abgucken können. Die Schule beginnt in Australien morgens übrigens um 8.30 Uhr und geht jeden Tag bis 15.00 Uhr und das Schuljahr beginnt im Januar und dauert bis November. Weihnachten liegt also bei uns mitten in den Sommerferien.
Auch das Essen in Deutschland ist anders als in Australien. Ich liebe das leckere deutsche Brot und finde es auch toll, sich am Nachmittag zu Kaffee und Kuchen zusammenzusetzen, um zu „klönen“ und zu „schnacken“. Was mir hier manchmal fehlt, ist ein australisches Barbecue. Die Deutschen sind übrigens gar nicht so seriös und ernsthaft, wie man es oft im Ausland denkt. Es kam sogar vor, dass ich pünktlich zu einer Verabredung gekommen bin und die deutschen Freunde sich etwas verspätet haben. Das fand ich sehr charmant.
Wirst Du zurück nach Nienburg kommen?
Of course, aber leider ist es ziemlich teuer, von Australien nach Europa zu fliegen und die Flugzeit beträgt über 20 Stunden. Da muss man vorher schon etwas Geld sparen. Bei uns zu Hause gibt es einen Spruch, der lautet: „Australia, it’s a bloody long way!“ Es wäre natürlich großartig, wenn ich nach meinem Education-Abschluss an der ASS Englisch unterrichten könnte. Ich würde die Schüler wiedersehen und alle Freunde wiedertreffen, die ich hier so sehr in mein Herz geschlossen habe. Nienburg ist in diesem Jahr zu meiner zweiten Heimat geworden und ich komme auf jeden Fall bald zurück. Versprochen. Natürlich freue ich mich jetzt sehr auf meine Familie, meinen Hund, mein eigenes Bett und auf ein großes australisches Steak vom Grill, aber Nienburg liegt ganz nah an meinem Herzen und so wird es immer bleiben.