Tragische Geschichte von Jekyll und Hyde bereitet Schülern viel Vergnügen
ASSler und andere Schüler besuchen Dr. Jekyll and Mr. Hyde – Vorführung des White Horse Theatre im Theater auf dem Hornwerk fesselt Publikum
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London, 19. Jahrhundert: Der angesehene und gutherzige Arzt Dr. Jekyll entwickelt ein Serum, das ihn in Edward Hyde verwandelt – die skrupellose, gewalttätige Seite seiner Persönlichkeit. Anfangs kontrolliert er die Verwandlung, doch Hyde wird immer mächtiger. Als dieser einen Menschen, ein Mitglied der Oberschicht, ermordet, will Jekyll das Experiment beenden – vergeblich. Schließlich bleibt er in Hydes Gestalt gefangen. Sein Freund Utterson entdeckt die Wahrheit, doch zu spät: Hyde vergiftet sich, und mit ihm stirbt Dr. Jekylls letztes Stück Menschlichkeit.
Zeugen dieser beängstigenden, brutalen und mitreißenden Geschehnisse aus Robert Louis Stevensons bekannter, 1886 veröffentlichter Novelle mit dem Titel >Der seltsame Fall des Dr. Jekyll und Mr. Hyde< wurden 139 Jahre nach dem Erscheinen des Werkes u.a. die Schüler des 11. Jahrganges der Albert-Schweitzer-Schule. Am vergangenen Freitag, dem 07. Februar, gastierte das White Horse Theater im Theater auf dem Hornwerk, und statt aus den Schatten neblig-düsterer Gassen im London des 19. Jahrhunderts verfolgten die Elftklässler aus dem Dunkel des Theatersaals heraus die Vorgänge auf der Bühne. Von dort registrierten sie bemerkenswerte Abweichungen von Stevensons Originalgeschichte, mit der sie sich zuvor im Unterricht vertraut gemacht hatten. Da war einerseits die Kulisse, die eine schummerige Straßenszene in London und damit das unheilvolle Setting zeigte. So weit eigentlich erwartbar. Andererseits experimentierte Dr. Jekyll auf der Bühne weniger unter Zuhilfenahme einer Arzttasche als eines mit modernster Computertechnik vollgestopften Koffers. Und auf das Serum, besser: auf die möglicherweise entscheidenden Bestandteile des Verwandlungstrunkes in Form von Salzen verweist die Kofferaufschrift s@lt, womit weniger salzhaltige Substanzen als offenbar futuristische Technik, das Internet, vielleicht soziale Medien das Böse in Jekyll erwecken und ihn in Hyde verwandeln. Und was heißt hier ‚ihn‘? ‘Sie‘! Denn alle Akteure sind Frauen, da die diesjährige Besetzung das erste rein weibliche Ensemble des White Horse Theater ist.
Die Zuschauer verfolgten konzentriert und gespannt, wie das Stück der These nachging: ‚Man is not truly one, but truly two.‘ Trägt also jeder Mensch zwei gegensätzliche Seiten in sich – eine moralisch gute und eine triebhafte, böse? Und kann man diese beiden Seiten trennen oder sind es untrennbare Bestandteile der menschlichen Natur? Dabei imponierte den Schülern die überzeugende Spielkunst, Ausdrucksstärke und Textsicherheit der Schauspielerinnen sehr. Ermutigend empfanden auch viele, dass sie mit ihren Englischkenntnissen im 11. Jahrgang das Stück schon sehr gut verstehen konnten – wenngleich bisweilen einige Stellen zu leise gerieten und somit akustisch herausfordernd waren, etwa, wenn die Akteure nicht direkt ins Publikum sprachen.
Im Anschluss an die Vorführung hatten die Schüler wie in jedem Jahr die Gelegenheit, den Schauspielerinnen Fragen zu stellen – natürlich auf Englisch. Und davon machten sie regen Gebrauch. Dabei galt das Interesse den Schauspielern, aber auch der Umsetzung. Warum in der Kulisse auch japanische Schriftzeichen zu sehen seien, wenn der Ort doch London sei? Die Zeichen sollten ein futuristisches Element verstärken, und das Stück verweise auf moderne Tendenzen in der Gegenwart mit immer mehr Technologie, Robotern, Elon Musk und autonom fahrenden Autos. Woher die Schauspielerinnen kämen? London und Umgebung, Essex, Edinburgh. Wie lange sie benötigten, um ein Stück auswendig spielen zu können. 1 1/2 Wochen des Memorierens, etwa einen Monat Proben. Ob es schwer sei, mehrere Rollen oder, wie im Stück, eine Doppelrolle zu spielen. Schon herausfordernder, aber es bereite zusätzliches Vergnügen und willkommene Abwechslung. Wie sie Schauspieler wurden, wann sie begonnen hätten. Zum Teil mit drei Jahren, oft über Tanz, Ballet, später Schauspielerei, Schauspielschulen. Ob sie deutsch sprächen? Sie seien etwa zehn Monate da und lernten es. Kostprobe? „Hallo.“ – „Danke schön!“ – „Ich liebe Schnitzel!“
Die charmanten Antworten der Schauspielerinnen ermutigten immer mehr Schüler, couragiert Fragen auf Englisch zu stellen – und wo vorher die unheimlichen Vorfälle auf der Bühne vielleicht manchen in Deckung gehen ließen, wurde in diesem ‘Interview‘ mit den Akteurinnen im Anschluss an das Stück die Distanz schnell aufgehoben, was die Schüler sichtlich genossen.
Fazit: Ein gelungenes Bühnenerlebnis, tolle Schauspieler, ein aufmerksames Publikum – oder: Vom sinistren Hyde nichts zu entdecken, dafür ganz viel vom gutherzigen Jekyll!
Ein besonderer Dank neben dem White Horse Theater gilt dem Fachobmann der ASS, Andreas Busch, für die Organisation dieses Theaterbesuchs.
Vh