Kunst im Gericht? Lob statt Strafe von Justizministerin und Gerichtsdirektor
Neunte Ausstellung „Kunst im Gericht“ von Albert-Schweitzer-Schule und MDG in vollbesetztem Gerichtssaal eröffnet/ Amtsgerichtsdirektor Bernd Bargemann verkündet ungewöhnlichen Richterspruch
Ein Urteil erster Güte sorgte am Mittwoch, dem 04. März, bei den Anwesenden im bis auf den letzten Platz vollgepackten Gerichtszentrum Nienburg für große Freude. Dort urteilte Dr. Bernd Bargemann, der Direktor des Amtsgerichts, im Großen Sitzungssaal in nichts Geringerem als einem Aufsehen erregenden Fall. Dieser Fall ist die nun bereits neunte Ausstellung „Kunst im Gericht“. Durch eine Kooperation der beiden Nienburger Gymnasien ASS und MDG in Kooperation mit dem Amtsgericht ermöglicht, wurde diese äußerst sehenswerte Kunstausstellung nun durch Dr. Bargemann um 17:30 Uhr ihrer Bestimmung übergeben.
Ohne Urteilsbegründung kam der Richter aber auch in diesem Prozess nicht aus, in dem es galt, nicht weniger als 150 Einzelfälle zu bündeln und einem weisen Urteil zuzuführen. Und dabei berief er sich auf zahlreiche Zeugen, die sich kurioserweise allesamt als Fürsprecher erwiesen und von denen keiner von der Anklage aufgerufen werden konnte. Höhepunkt der Zeugenanhörung: Der Direktor des Gerichtszentrum rief die Justizministerin höchstselbst in den Zeugenstand. Nun, zumindest zitierte er ihre Zeugenaussage: „Die Bilder der beiden Gymnasien Albert-Schweitzer-Schule und Marion-Dönhof-Gymnasium sind selbst Fr. Justizministerin Havliza aufgefallen, die sich sehr lobend äußerte. Und mit Lob geht sie im Allgemeinen sehr sparsam um.“
Ein schöneres Urteil hätten sich die zahlreichen jungen Künstler vom Marion-Dönhoff-Gymnasium und der Albert-Schweitzer-Schule und ihre für die Ausstellung federführenden Kunstlehrer, Frau Jutta von Rode-Diezelsky (ASS) und Herr Bernhard Firley(MDG), kaum wünschen können. Mit großem Engagement und noch größerem Kunstsinn hatten die Schülerinnen und Schüler im Kunstunterricht der Gymnasien rund 150 Exponate für die Ausstellung angefertigt, die nun die sonst grauen Flure des Amtsgerichts durch Phantasie und Farbe zum Leuchten bringen. Von diesem Leuchten angelockt wurden bereits bei der Eröffnung der Vernissage zahllose Besucher, die in den Amtsfluren eine große Auswahl an Bildern in zahlreichen Stilrichtungen in Augenschein nehmen konnten. Farbenfrohe abstrakte Werke buhlten dabei mit gegenständlichen Darstellungen um Aufmerksamkeit. Und statt Zeugenaussagen zur alltäglichen Tristesse in Gerichtsverfahren zu vernehmen, übten die Kunstwerke eine große Wirkung auf die Betrachter aus. Der ‚Streit’wert der Bilder vor Gericht? „Kunstwerke sind nicht auf wirtschaftliche Verwertbarkeit zu reduzieren“, betont Jutta von Rode-Diezelsky in einem eindrücklichen Plädoyer für die Kunst. „Sie sind Ausdruck des Mitteilungsbedürfnisses des Menschen, Selbstausdruck und in ihrer ganzheitlichen Entstehung und Wirkung von unermesslicher Bedeutung für die Persönlichkeitsentwicklung des Menschen.“
Musikalisch begleitet wurde die Eröffnungsfeier im Gericht übrigens von jungen Musikerinnen und Musikern der ASS. Musiklehrerin Christina Hinzmann-Suckel sorgte mit der Bläsergruppe des Jahrgangs 6 mit den Stücken „Trumpet Hero“ (von Paul Lavender), „I get around“ (von den Beach Boys) und „Jus‘ plain Blues“ (von Michael Sweeney) für wunderbar assoziative Begleittöne zu dem Sensationsurteil. Titel, die wie für Gerichtsprozesse geschaffen schienen – von der Melancholie des Blues bis zum ‚Herumkommen‘, oder: ‚Drumherumkommen‘? – in „I get around“. Wollte man das passendste Lied für unsere jungen Künstler und ihre Bilder wählen, müsste es natürlich der Heldengesang von „Trumpet Hero“ sein – die wohl stimmigste Fanfare zum Gerichtsurteil!
Die interessierte Öffentlichkeit hat in den nächsten Monaten weiter Gelegenheit, sich in den Fluren des Nienburger Amtsgerichts, Berliner Ring 98, von dem künstlerischen Talent der Gymnasiasten zu überzeugen.