Przypomnij sobie – Studienfahrt nach Oświęcim/Auschwitz
Wie sich 50 Schülerinnen und Schüler aus insgesamt 5 Nienburger Schulen nach Auschwitz (Polen) aufmachten.
Eine Reise zum Symbol der Vernichtung schlechthin- ist das überhaupt ein angemessenes Reiseziel für Jugendliche? Sollte man sich die Konfrontation mit so viel Leid und Tod überhaupt zumuten? Und konnte man eigentlich „Viel Spaß!“ für diese Reise wünschen?
Unsere einwöchige Studienfahrt startete Samstagabend, den 18.10.14, am Nienburger Busbahnhof. Ziel war Oświęcim (Auschwitz) in Polen. Unsere Gruppe bestand aus jeweils 10 Schülerinnen und Schülern der Albert-Schweitzer-Schule, der Berufsbildenden Schule, des Marion-Dönhoff-Gymnasiums, der Nordertorschule und der Realschule am Berg und deren begleitenden Lehrkräften. Im Wesentlichen wurde die Fahrt von Gesine Schöning (Schulsozialarbeiterin) und Martin Bauer (ehem. Kirchenkreisjugendwart) geplant und begleitet.
Mit gemischten Gefühlen, welche emotionalen Eindrücke uns bei dem bevorstehenden Besuch im ehemaligen Konzentrationslager „Auschwitz-Birkenau“ erwarten würden, machten wir uns auf den Weg. Nach 12 Stunden Fahrt kamen wir endlich in der Internationalen Jugendbegegnungsstätte Oświęcim an, die zirka 3 km Luftlinie vom ehemaligen Konzentrationslager Auschwitz entfernt ist. Bereits nachmittags führten uns jugendliche Freiwillige durch die Stadt Oświęcim und die ehemalige jüdische Synagoge. Dort wurde uns deutlich, wie sehr bis zur Shoa das jüdische Leben pulsierte und dass Oświęcim damals wie heute eine ganz normale Kleinstadt ist.
Am Tag darauf begaben wir uns ins Stammlager 1. Schon beim Anblick des berühmt berüchtigten Torbogens „Arbeit macht frei!“, der den Eingang des Konzentrationslagers bildete, wurde uns bewusst, dass fast keiner der hier Inhaftierten dieses Lager je wieder verlassen konnte. Die Größe des Lagers beeindruckte uns. Es war unvorstellbar, welche Szenen sich hier abgespielt haben mussten. Es fiel uns allen schwer zu glauben, welche grausamen Taten die Nationalsozialisten Millionen von Menschen hier angetan hatten. Insbesondere die gut erhaltenen Überreste der Gaskammer und des Krematoriums stimmten uns sprachlos. Verschiedene, teilweise restaurierte Baracken, die teils zu Ausstellungen umfunktioniert worden waren, ließen den grausamen Alltag und die schlechten Lebensbedingungen der KZ-Häftlinge erahnen. In einer Baracke wurden erhaltene Gegenstände der deportierten Menschen, die aus dem sog. Materiallager „Kanada“stammten, wie Koffer, Schuhe, Brillen, Bilder und sogar Berge von Haaren, die ihnen nach ihrem Tod abgeschnitten und zu Haarwolle weiterverarbeitet wurden, ausgestellt. Deren Anblick war schockierend! Der sogenannte „Todesblock“, quasi ein Gefängnis im Gefängnis, der noch im Originalzustand erhalten ist, schockte uns ebenfalls sehr. Hier mussten Gefangene, eingepfercht in kleine Boxen, so lange stehen oder hungern, bis sie qualvoll starben. Wiederum andere wurden standgerichtlich am Galgen oder vor der sog. schwarzen Todeswand hingerichtet.
Nach diesem eher musealen Charakter vom Stammlager 1 besichtigten wir am nächsten Tag das Außenlager Auschwitz-Birkenau. In diesem Vernichtungslager wurden fast 1,5 Millionen Menschen in den Gaskammern ermordet. Die meisten von ihnen wurden bereits direkt an der Laderampe als nicht arbeitsfähig „aussortiert“, unter ihnen rund 1,1 Millionen Juden. Anders als im Stammlager 1 glich Birkenau dennoch an manchen Stellen eher einer riesigen Parkanlage, in dem man ein schönes Picknick hätte veranstalten können. Dieser Ort hatte einfach eine paradoxe Atmosphäre und war, man könnte sagen, viel zu schön für die grausamen Dinge, die sich hier vor mehr als 70 Jahren abgespielt hatten. Uns wurden die Dimensionen des Lagers erst richtig bewusst, als man uns sagte, dass wir uns erst in der Mitte befänden, obwohl wir schon ein gutes Stück gelaufen waren-unvorstellbar!
Während der Führung wurden uns auch Geschichten erzählt, die sich in Birkenau abgespielt hatten. Eine war besonders erschütternd, die wir exemplarisch schildern wollen: Im Konzentrationslager war es so, dass am Tor, welches den Eingang des Vernichtungslagers kennzeichnete, Musiker Tanzmusik spielen mussten, während die Menschen durch das Tor zu den Gaskammern getrieben wurden. Damit sollte in der irren Meinung der Bewacher ein reibungsloser Ablauf gewährleistet werden. Einer dieser Musiker hatte einmal angefangen zu weinen, musizierte aber weiter. Später erfuhr man, dass dieser Mann seine Frau und seine Kinder gesehen hatte, wie sie durch das Tor gingen, er aber nichts machen konnte und weiterspielen musste.
Es war wirklich eine Führung, die unter die Haut ging und keinen von uns kalt ließ. Trotzdem stellten wir uns immer wieder die Frage, wie man sich auf dem größten Friedhof Europas angemessen verhalten sollte. Darf man fotografieren? Darf man lachen? Wir beobachteten mit Entsetzen das Verhalten einer anderen Reisegruppe Jugendlicher, die Kaugummi kauend und mit Sonnenbrillen bestückt über das Gelände schlenderten und hin und wieder anhielten, um so genannte „Selfies“ vor der Laderampe zu machen, die unter anderem als erster Selektionsort der deportierten Menschen diente.
Mit Sicherheit nahm jeder die Führung durch die Konzentrationslager anders wahr, jedoch waren wir uns am Ende in einem Punkt einig: Egal, wie viele Bücher man über das Naziregime gelesen und wie viele Filme man auch über dieses Verbrechen gesehen hatte, man wird sich das Ausmaß der Grausamkeiten des Holocaust nie komplett vorstellen können. Unser Besuch in Auschwitz jedoch half uns, wenigstens einen Teil dessen besser nachzuvollziehen. Um nun also auf die Ausgangsfrage zurückzukommen, ob man sich die Konfrontation mit so viel Leid und Tod als Jugendlicher überhaupt zumuten sollte, kann man sagen, dass es in der Tat für uns, die wir nun selbst dort gewesen waren und diese Orte mit eigenen Augen gesehen haben, an vielen Stellen schwer zu verkraften und aufzunehmen gewesen war. Doch trotzdem empfehlen wir jedem, sich einmal auf diese Reise zu begeben und sich vor Ort intensiv mit dem Holocaust auseinander zu setzten. So, wie es auch das Motto unserer Fahrt „Erinnere dich-Przypomnij sobie“ vorgab, haben wir uns bewusst an die grausamen Verbrechen zur Zeit des „dritten Reichs“ erinnert und wollen damit ein Zeichen setzten, dass ein solch abscheulicher Mord an Millionen von Menschen nie wieder vorkommen darf. Denn „Wer sich nicht an die Vergangenheit erinnern kann, ist dazu verdammt, sie zu wiederholen.“ (George Santayana, aus „The life of reason“, 1905) In diesem Sinne legten wir am Morgen unserer Rückfahrt einen Gedenkkranz der Stadt Nienburg und mit den Unterschriften aller Teilnehmenden am Denkmal des KZs nieder. Außerdem leisteten wir an einem Nachmittag mit Laubfegearbeiten auf dem Gelände des Stammlagers 1 einen kleinen Beitrag zum Erhalt der Gedenkstätte.
Um unsere Erlebnisse und Eindrücke des Tages gemeinsam verarbeiten zu können, gab es jeden Abend Feed-Backs in Kleingruppen und Abendausklänge im Plenum im „Haus der Stille“. Auch unser Workshop -Tag, an dem wir in verschiedenen Kleingruppen die Erlebnisse und alles, was man über die Woche so gesehen, fotografiert und erfahren hatte, in Form einer Präsentation aufgearbeitet und anschließend vorgestellt haben, bewirkten somit, dass wir uns während der Woche gut verstanden haben und neue Freundschaften schließen konnten. Diese Studienfahrt schulübergreifend anzubieten, haben wir deshalb als positiv empfunden und würden jederzeit erneut an einer ähnlichen Veranstaltung teilnehmen.
Insgesamt können wir wirklich auf eine sehr gelungene Woche zurückblicken, die trotz des ernsten Hintergrunds mit viel Spaß verbunden war. Eine Woche voller wichtiger Eindrücke, unvergesslicher Erlebnisse, so z.B. auch der Ausflug nach Krakau und der Besuch des Schindler -Museums, Trauer und Freude. Es war für alle Beteiligten eine Reise, die uns noch lange in Erinnerung bleiben wird.
Erinnere dich- Przypomnij sobie!
(Ein Artikel von Ella-Marie Beck, BritBeermannm, Melissa Hotze und Nick Stuke)
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