Gib Sex keine Chance!

sehr frei nach Lysistrata von Aristophanes.

Der Kurs Darstellendes Spiel an der Albert-Schweitzer-Schule hat sich ein halbes Jahr lang thematisch mit dem Verhältnis zwischen den Geschlechtern beschäftigt und viele Improvisationen dazu erdacht. Dazu wurde natürlich viel Theatertraining gemacht und auch die Theorie kam nicht zu kurz – hierbei wurde ein Augenmerk auch auf die geschichtliche Entwicklung des Theaters gelegt.

Dies passierte in Vorbereitung auf das Projekt für welches sich die SchülerInnen entschieden hatten: Lysistrata von Aristophanes soll unser Steinbruch sein aus dem wir unsere eigene Geschichte entwickeln. Es war schnell klar, dass wir Lysistrata für uns umschreiben würden, aber die Grundidee – ein Sexstreik der Frauen – unangetastet lassen. Die Schüler übernehmen selbst Verantwortung für die Produktion indem sie in Teams arbeiten, die für einen Teilaspekt zuständig sind (z.B. Dramaturgie, Regie, Kostüm/Maske, Bühne, Requisite usw .) Am 29 und 30. Juli geben die Schülerinnen und Schüler des Q1-Kurses „Darstellendes Spiel“ dem Sex keine Chance. In einem selbst entwickelten Stück, inspiriert durch Aristophanes „Lysistrata“, zeigen sie die Machtstrukturen auf einer fiktiven Insel und wie diese gebrochen werden können. Dabei geht mal ernst, mal nachdenklich, aber auch immer wieder lustig und überdreht zu. Die Schülerinnen und Schüler haben das Stück auch selbst inszeniert und versucht die Fähigkeiten, die sie bisher im Darstellenden Spiel erworben haben, zu nutzen.

Der Probenprozess

Aufführung

Eine Besucherin schreibt….

Eigentlich hatte ich mich in den letzten Julitagen auf einen „netten“ Abend zum Ausklang eines langen Schuljahres eingestellt, auf dem der wohl eher klägliche Versuch unternommen wird, einen Weltklassiker mit bescheidensten Mitteln auf die eigentlich gar nicht vorhandene Bühne der Albert-Schweitzer-Schule zu bringen. Nicht, dass ich an den Fähigkeiten junger Menschen zweifle, aber „Lysistrata“, an diesen Stoff hatte sich der 11. Jahrgang in seinem Kurs Darstellendes Spiel gewagt, wohl doch ein wenig überheblich! Geht es doch bei Aristophanes um die politische Komödie und nicht um Klamauk und hier im Speziellen um ein Plädoyer gegen den Krieg. Im Zeichen drohender und anhaltender Konflikte mag die Auswahl des Stückes wohl berechtigt, seine Aktualität erkannt worden sein, aber seine vielschichtige Botschaft schien doch auf das Reißerische, das Unerhörte reduziert, wenn man dem 411 v. Chr. spielenden Dauerbrenner heute den Titel: „Gib Sex keine Chance!“ zuschreibt.

In der griechischen Komödie „Lysistrata“ entwickeln die Frauen aus Athen und Sparta einen Plan, wie der zwanzig Jahre dauernde Krieg beendet werden kann. Die Frauen streiken, besetzen die Akropolis und verweigern sich ihren Männern so lange, bis diese Frieden schaffen. Rohen Angriffen der Männer und mangelnder Standfestigkeit der Frauen ausgesetzt, droht das Unternehmen immer wieder zu scheitern. Und eben das habe ich gesehen. Männer, die uniform und unisono agierend, mehr Zeit der Parteiarbeit widmen als ihren Familien. Männer, die nicht hinterfragen, was sie tun, denn die Partei hat und tut Recht. Was sind das für Männer, die sich „führen“ lassen von einem Schreihals, die ihren Frauen nicht mehr trauen, immer beschäftigt tun und doch gelähmt und gefangen sind? Und was sind das für Frauen, die all die Stumpfheit ertragen, die ihr Leiden und das ihrer Kinder billigend in Kauf nehmen, indem sie aushalten, stillhalten, gebrochen und gebrechlich scheinen. Sie dulden die Untat der Männer, ja sie verheimlichen körperliches Leid, das ihnen angetan wird, sie versuchen ihre Männer zu verstehen, finden Entschuldigungen für deren zahllose Untaten und lügen in die eigene Tasche. Ein immer gleiches „Und täglich grüßt das Murmeltier“. Gebrochene Herzen, gebrochener Wille! Marionetten und Untote auf der Bühne und irgendwann ein befreiendes Outcome, ein Teilen des Leides, gegenseitiges Stärken, ein gemeinsames Aufbegehren, lautes Zweifeln, Party als Betäubungsmittel, Trauer und wieder standhafter Verzicht für das private Glück oder sollte ich besser sagen: kollektives Verweigern als Mittel der Katharsis? Die Vorzeichen verändert, eine andere Seite der Machtbeziehung zwischen Mann und Frau. Die Härte! Nun beginnt auch der Mann zu zweifeln, jeder für sich, als wolle er der jüngsten Studie der Rutgers University widersprechen, die da besagt, dass allein die Frauen über die Zufriedenheit in einer Beziehung oder über das Eheglück entschieden, weil sie nachdenklicher scheinen, ihre Gefühle aussprechen, leiden und leidensfähiger sind, handeln, die Fäden in der Hand haben. Und das nicht nur innerhalb der autokratischen Strukturen einer fiktiven Inselwelt, nein vor allem im „wahren“ Leben. Das „starke“ Geschlecht sieht, hinterfragt und begreift schließlich, wie wichtig es ist, den privaten Frieden stabil zu halten, um gesellschaftlichen Waffenstillstand zu schaffen und dialogfähig zu werden.

Das Stück zeigt so vieles auf, setzt Emotionen frei, ist topaktuell, hält spielerisch den Spiegel vors Gesicht und begeistert, weil es nur einer großen Vorlage als Ideengeber bedürfte und ansonsten so viel Eigenleistung beinhaltet. Besonders die Umsetzung von Inszenierungsmöglichkeiten und darstellerischen Mitteln, wie sie im Unterricht theoretisch erarbeitet und praktisch erprobt wurden, enthusiasmierten, die Spielfreude steckte an, der Mut und die Überwindung entzückten, einzelne Monologe gingen (mir) unter die Haut. Eine großartige Leistung und ein exzellentes Beispiel dafür, wie man in kurzer Zeit ein Unterrichtsfach an einer Schule etablieren kann, in dem es weniger um die kognitive Leistung selbst denn um Anwendung, um künstlerische Ausdrucksformen und kreatives Arbeiten geht. Danke für diesen verblüffend überzeugenden Abend und das Ermutigen nachfolgender Kurse, Danke für eine neue Chance.

Astrid Leiste

Teaser

Ein Zusammenschnitt aus Aufführungsmomenten

Lokale Presse

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