Die Juniorwahl hat mir eine Stimme gegeben, obwohl ich mit 16 ja noch nicht wahlberechtigt bin

Jahrgänge 8 bis 12 der Albert-Schweitzer-Schule führen Juniorwahl 2021 durch und erleben Hochakt der Demokratie/ FDP bei Zweitstimmen und Maik Beermann (CDU) bei Erststimmen vorn

Es ist Ende September 2021. In Deutschland finden die Bundestagswahlen statt. Auch die Albert-Schweitzer-Schule ist vom Wahlfieber ergriffen. Wahlprogramme werden studiert, das Wahlsystem genau begutachtet, Kandidaten unter die Lupe genommen. Und schon Tage vor der Bundestagswahl landen die Stimmzettel in der Wahlurne – und bleiben gültig! Kein Grund jedoch, die Bundeswahlleitung wegen Unregelmäßigkeiten zu kontaktieren: Der Urnengang an der ASS galt wie an anderen Schulen der Juniorwahl 2021.

Zum Hintergrund: Mit der Juniorwahl soll ganz praktisch ein Beitrag zur politischen Bildung an weiterführenden Schulen geleistet und das direkte Erleben und Erlernen von Demokratie ermöglicht werden. „Die ASS hat bereits bei der letzten Bundestagswahl im Jahre 2017 an der Juniorwahl teilgenommen“, ruft Politiklehrerin Maren Hübner in Erinnerung. Wie aber läuft diese Juniorwahl eigentlich ab? In zwei großen Schritten!

Zunächst wird die Juniorwahl intensiv im Unterricht vorbereitet. Dazu gehören Gruppenaufgaben, Diskussionen und Planspiele, die um Themen wie Demokratie als Staatsform, den Ablauf und die Funktion von Wahlen oder das deutsche Parteiensystem kreisen. „Das Thema „Wahlen und Demokratie“ ist ein zentraler Bestandteil der politischen Bildung. Unsere Lehrkräfte hatten verschiedene Möglichkeiten zur Einbindung der Juniorwahl in den Unterricht. So wurden beispielsweise das Wahlsystem zum deutschen Bundestag eingängig thematisiert, Wahlplakate analysiert, die Direktkandidaten aus unserem Wahlkreis einem Kandidaten-Check unterzogen bzw. die Wahlprogramme einiger zur Wahl stehender Parteien geprüft. Außerdem hatten die Schüler die Möglichkeit, den Wahl-O-Mat oder Wahlkompass zur Entscheidungsfindung zu nutzen“, erläutert Maren Hübner.

Höhepunkt ist dann, im zweiten Schritt, natürlich der Wahlakt. Organisiert wird dieser von den Schülerinnen und Schülern selbst, wobei Lehrkräfte natürlich zur Unterstützung da sind. Die Schüler bilden einen Wahlvorstand, führen ein Wählerverzeichnis und erhalten Wahlbenachrichtigungen und Wahlkabinen sowie die Wahlurnen.  Und dann können sie ihre Stimmen in einer klassischen, realitätsnahen Wahl abgeben, wobei diejenigen Politiker zur Wahl stehen, die im Wahlkreis der Schule kandidieren.

Ziel ist es, das Interesse der Jugendlichen an Politik zu fördern, Begeisterung für politische Teilhabe und gesellschaftliches Engagement zu wecken, Meinungsbildung anzuregen und das Urteilsvermögen zu stärken. Oberstes Ziel: Die Wertschätzung für das demokratische System zu vermitteln.

Und das Wahlvolk der Schülerinnen und Schüler war ganz und gar nicht politisch desinteressiert. Individuelle Freiheit, die Möglichkeit, sich persönlich zu entfalten, Schule und Bildung sowie die Coronasituation gehörten mit zu den Themen. Natürlich spielte auch der Umweltschutz eine Rolle. „Die Bereiche Klimaschutz, Gleichberechtigung von Frauen und Minderheiten sowie Bildung sind für mich am wichtigsten“, erklärt Charlotte Kleitzke (11e). Ihre Klassenkameradin Alina Alvermann hält das Thema Klimaschutz ebenfalls für wichtig, möchte dies aber „sozial gerecht“ betrachtet wissen: „Wir müssen alle Menschen auf diesem Weg mitnehmen und dürfen Klimaschutz nicht zu einem Privileg machen und Millionen Menschen als ,Abgehängte‘ zurücklassen.“ Das Thema Klima ist auch Niklas Häsemeyer aus der Klasse 10d wichtig. Er wirft den Blick dabei aber ebenfalls auf die wirtschaftliche Entwicklung: „Deutschland gehört zu den größten Industrieländern und ist eine der stärksten Exportnationen.“ Im Bereich Wirtschaft hofft er auf eine Stärkung der Innovationskraft. Und Alina ergänzt: „Außerdem ist mir die Sicherheitspolitik in Deutschland wichtig. Ich möchte in einem Land leben, in dem man sich jederzeit und überall sicher fühlen kann.“

Lehrerin Maren Hübner zeigt sich mit dem Ablauf der Juniorwahl, die an der ASS vom Fachobmann für das Fach Politik, Reiner Morgenstern, organisiert wurde, hoch zufrieden: „Die Schülerinnen und Schüler haben das toll durchgezogen. Und durch das Projekt Juniorwahl haben sie in punkto politische Bildung profitiert.“ Und dennoch gebe es über Juniorwahlen hinaus für Schulen und auch Politiker noch eine Menge zu tun, so Hübner: „Sich hinreichend zu informieren, dass etwa auf Social Media-Plattformen Kommentare nicht hinterfragt werden – da bedarf es mehr Aufklärung auch seitens der Schule. Übrigens sollten auch die Kandidaten vor Ort diese Plattformen mehr in ihren politischen Alltag einbinden, um insbesondere junge Wähler zu erreichen.“

Das Projekt Juniorwahl kam bei den angehenden Erstwählern gut an: „Ich empfinde die Durchführung von Juniorwahlen als äußerst wichtig. Jeder Schüler ist in gewisser Weise dazu ,gezwungen‘, sich über die Politik Deutschlands zu informieren und ist dazu aufgerufen, seine oder ihre politische Mitwirkungskraft zu nutzen“, befindet Charlotte Kleitzke.

Mara Pischke (11e) pflichtet der positiven Einschätzung bei: „Die Vorbereitung im Unterricht hat mir erst nochmal richtig klar gemacht, was die einzelnen Stimmen bei der Bundestagswahl wirklich bedeuten und wie beispielsweise die Sitzverteilung funktioniert. Ich fühle mich jetzt auf jeden Fall besser informiert und auch besser vorbereitet auf zukünftige Wahlen.“  Und Mara sieht begrüßenswerte Entwicklungen auch außerhalb der eigentlichen Schulstunde: „Positiv aufgefallen ist mir auch, dass die Juniorwahl politische Diskussionen unter den Schülern auch außerhalb des Politikunterrichts angeregt hat.“

Höhepunkt für die ASSler war dann wohl die Wahl selbst, wie Alina Alvermann lobt: „Es gab einen „echten Gang“ zum Wahllokal sowie „echte“ Stimmzettel.“ Und nach Auszählung der Stimmen dann auch wie bei echten Wahlen ein offizielles ,amtliches‘ Endergebnis.

Wäre dies das Ergebnis der Bundestagswahl, dann könnte sich FDP-Chef Christian Lindner freuen: An der ASS siegte bei den Zweitstimmen die FDP mit 23% vor den Grünen (20,4%) und der SPD (20,1%). Bei den Erststimmen, also der Direktwahl eines Kandidaten im Wahlkreis, hatte Maik Beermann (CDU) mit 25,0% die Nase vorn, gefolgt von Marja-Liisa Völlers (SPD) mit 22,4% und Katja Keul (Grüne) mit 21,3% der abgegebenen Erststimmen.

Eigentlicher Gewinner aber war das Projekt Juniorwahl 2021. Charlotte Kleitzke und Alina Alvermann ziehen stellvertretend für die ASSler eine schöne Bilanz. „Die Juniorwahl hat mir eine Stimme gegeben, obwohl ich mit 16 ja noch nicht wahlberechtigt bin“, freut sich Charlotte. Und Alina findet das passende Schlusswort: „Durch die Juniorwahl hat man als junger Mensch das Gefühl, dass auch schon vor dem 18. Lebensjahr die eigene Stimme zählt, und man ist mehr als sonst motiviert, sich politisch zu informieren.“

Vh

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