Amerikanische Austauschschülerin an ASS findet zweites Zuhause in einer „Welt fernab vom eigenen Zuhause“

Reubena Vailliencourt aus der Nähe von Detroit, Michigan, blickt zurück auf ein erlebnis- und lehrreiches Jahr in Nienburg und an der ASS

 

Die amerikanische Austauschschülerin an der ASS,  Reubena Vailliencourt aus der Nähe von Detroit, Michigan, erlebte typische deutsche Weihnachtstage in Nienburg, komplett mit Kartoffelsalat und Schmücken des Weihnachtsbaumes.

Die amerikanische Austauschschülerin an der ASS, Reubena Vailliencourt aus der Nähe von Detroit, Michigan, erlebte typische deutsche Weihnachtstage in Nienburg, komplett mit Kartoffelsalat und Schmücken des Weihnachtsbaumes.

Ein Schuljahr im Ausland? Ich? In den USA habe ich nicht so doll über ein Austauschjahr nachgedacht. Erst als ich während eines Vortrags von YFU (= Youth for Understanding, ein Netzwerk gemeinnütziger Austauschorganisationen, Anmerkung der Redaktion) in meinem Deutschkurs von einem Stipendium gehört habe, dachte ich, dass es überhaupt möglich für mich sein könnte. Ich habe mich dann beworben und eines von insgesamt 50 Stipendien bekommen. Ich heiße Ruby Vailliencourt, bin 18 Jahre alt und komme aus der Nähe von Detroit, Michigan.
In meinem Austauschjahr habe ich ganz viel erlebt. Natürlich bringt ein Austauschjahr auch manche Probleme, viele grammatische Fehler und das volle Bewusstsein, dass man sich verändert.
Am 31. Juli 2014 also war ich nach Deutschland geflogen, und der erste Eindruck von Deutschland, an den ich mich erinnern kann, ist der von einem Sonnenuntergang, welchen ich aus dem Zug heraus betrachten konnte. Ich wohnte für die nächsten dreieinhalb Wochen in Husum an der Nordsee. Wir, insgesamt elf Leute, machten da erst einmal einen Orientierungskurs und Sprachlehrgang. Danach reiste ich nach Nienburg, um meine Gastfamilie, meine neue Familie für das folgende Jahr, kennenzulernen. Es ist nicht immer so leicht, plötzlich in einer neuen Familie zu wohnen. Zum Glück hatte ich aber meine Gastschwester schon einmal in den USA getroffen, weil sie in dem Jahr davor dort auch als Austauschschülerin war. Allerdings hatte ich die Familie nicht für mich allein, weil die Unterbringung dort ein sogenanntes ‚double placement‘ war. Das bedeutet, dass zwei Austauschschüler bei derselben Familie wohnen. Als wir vom Bahnhof abgeholt wurden und raus zum Haus der Gastfamilie fuhren, sah ich ganz viele Felder mit Kühen und Pferden und mein Handy-Empfang wurde immer schlechter, bis ich gar keinen mehr hatte.

Wie das Leben in meiner Gastfamilie war? Wir haben da mächtig viel Tee getrunken, es gab einen Garten mit frischem Obst und Kürbissen.  Meine Gastfamilie aß oft sehr einfache Sachen, und so habe ich hier angefangen, immer Brot mit Frischkäse und Marmelade zu essen. In den USA dagegen hatte ich fast gar kein Brot und niemals Dinge wie Schwarzbrot gegessen. Hier in Deutschland habe ich gelernt, dass Brot sehr wichtig für die Deutschen ist. Ich habe hier auch gelernt, dass man drei oder vier verschiedene Mülleimer hat und man die eigentlich benutzen muss. Bei uns in Detroit haben wir einfach eine Kiste für Müll und noch eine Kiste für die Wertstoffe. Von nun an möchte ich zu Hause alles sortieren.
Ich musste auch früher als gewohnt aufstehen. Jeden Samstag fuhren wir zusammen zum Markt, und in den Ferien besuchte ich Köln, Aschaffenburg und Hannoversch Münden. Wir haben auch zusammen die Chance genutzt, mit dem Ferienticket der Bahn nach Sylt zu fahren. Ich werde nie vergessen, wie die Nordsee und die Sonnenuntergänge dort aussehen!
Der erste Tag an der Albert-Schweitzer-Schule war für mich sehr aufregend. Ich kannte niemanden und die allermeisten Leute redeten ungewöhnlich schnell. Vier Jahre lang hatte ich zuvor schon Deutsch in der Schule gelernt, aber es war eine besondere Herausforderung, alles sofort zu verstehen. Es gab so viele neue Wörter zu lernen! Das ganze Jahr hatte in der Hinsicht seine sprachlichen Höhen und Tiefen für mich. Es dauert einfach, eine neue Sprache zu lernen. Und man muss stetig üben. Auch das Schulleben war anders als in den USA. Ich hatte immer die gleichen Leute in fast allen meinen Fächern. Normalerweise ändert sich das bei uns in jedem Kurs. Ein weiterer Unterschied ist, dass es keine Schließfächer für jeden Schüler gibt.
In einem Austauschjahr hat man nicht immer nur Glück. Ende November wechselten die andere Austauschschülerin und ich unsere Gastfamilie. Es gab viel Stress, aber nach einiger Zeit fand ich eine neue Gastfamilie in Nienburg. Zum Glück konnten wir so noch hier in Nienburg und überhaupt in Deutschland bleiben und mussten uns nicht von unseren Freunden verabschieden. Denn so etwas kann einem bei einem internationalen Austausch auch passieren.
Nach der Ankunft in meiner neuen Gastfamilie merkte ich direkt, dass ich mich da wohler fühlte. Wir redeten viel miteinander, ich hatte gleich eine Gastkatze und die Möglichkeit, zur Schule zu laufen. In meiner neuen Familie kochte ich amerikanisches Essen und durfte Filme für unsere Filmabende aussuchen. Weihnachten aß ich zum ersten Mal Kartoffelsalat – der war richtig gut! – und steckte Kerzen an den Weihnachtsbaum. Zum Glück hatte ich so dann auch kein Heimweh. Nach Silvester verging mein Austauschjahr total schnell und ich wünschte, die Zeit wäre nicht wie ein Marathonläufer davongeeilt.
Ich bin froh, dass ich die Möglichkeit hatte, ein bisschen zu reisen. Kurzfristig flog ich in den Osterferien nach Barcelona. Und ich besuchte Konzerte meiner zwei Lieblingsbands in Hamburg. Mit meiner neuen Gastfamilie machte ich auch einen Familienbesuch bei den Großeltern in Frankfurt, und zusammen fuhren wir einmal zum Schloss Marienburg bei Hannover. In meiner Freizeit spielte ich jede Woche Basketball beim TKW und gab Englischnachhilfe.
Im Juni dann hatten wir ein ,,Abschlussseminar“ in Berlin für alle Stipendiaten. Es war in Berlin, weil unser Stipendium durch den Bundestag und den amerikanischen Kongress finanziert ist. Insgesamt waren dort ungefähr 350 Leute von fünf verschiedenen Organisationen. Wir YFU-Austauschschüler lernten die deutsche Politik kennen, redeten über unser Austauschjahr und sahen uns Berlin an. Wir waren auch in der amerikanischen Botschaft, dem Bundeskanzleramt und dem Reichstagsgebäude. Es gab viele Gespräche, wichtige Informationen und Treffen mit wichtigen Leuten aus dem Bundestag und der amerikanischen Botschaft. Die größte Überraschung: Wir trafen sogar Angela Merkel! Alles in allem war es eine interessante und spaßige Zeit!
Meiner Gastfamilie bin ich sehr dankbar für alles, was sie für mich gemacht hat! Ich bin auch dankbar, dass ich so viele nette Menschen in Deutschland treffen durfte. Ich habe hier ein paar feste Freunde fürs Lebens gefunden und viele Erfahrungen gemacht, die ich nicht vergessen werde. Ein Austauschjahr lebt von den Menschen, denen man begegnet! Deutschland ist jetzt mein zweites Zuhause, und ich werde bestimmt irgendwann mal wieder kommen.
Man erlebt immer gute Sachen und schlechte Sachen, macht Fehler und lernt daraus. Ein Austausch verlangt einem ab, über Dinge nachzudenken. Obwohl bei einem Austausch nicht immer alles schön für jeden sein kann, macht man doch immer auch schöne Erfahrungen.
Ich denke, dass jeder Mensch ein Austauschjahr erleben sollte. Man entwickelt sich und es wird einem bewusst, dass es auch eine Welt fernab vom eigenen Zuhause gibt. Man lernt dabei.
Und jedem, der sagt, er habe nicht die Möglichkeit dafür, sage ich: Doch! Versuch es! Es gibt viele verschiedene Organisationen und daher auch unterschiedliche Stipendien. Ich drücke euch die Daumen!

Danke für alles, Deutschland!        

 

Reubena Vailliencourt

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