Ein Jahr im Land der Trolle und spiegelglatter Seen

Ich in der norwegischen Nationaltracht, die sich

Ich in der norwegischen Nationaltracht, die sich

Albert-Schweitzer-Schule entlässt Nele Lesemann für ein Jahr nach Norwegen

 

„Was willst du denn in Norwegen? Da ist es doch nur kalt!“ – das waren die ersten Reaktionen, die ich hier von manchen Leuten zu hören bekam, nachdem ich ihnen von meinem Plan, ein Jahr als Austauschschüler in Norwegen zu leben, erzählt hatte. Trotz allem, dem Wissen, dass ich die 11. Klasse wiederholen muss, der Kontakt zu einigen Freunden abnehmen wird und ich auf wildfremde Menschen treffen werde, machte ich mich also am 18. August 2013 auf die Reise nach Finnsnes, eine Kleinstadt in Nord-Norwegen!

Meine Gastfamilie, die ich vorher nur von ein paar E-Mails und Facebook-Bildern her kannte, bestehend aus Mutter, Vater, einem kleinen Bruder und einer gleichaltrigen Schwester, erkannte ich sofort. Die ersten Tage waren natürlich etwas komisch, man musste herausfinden, wie die Leute in einem fremden, aber doch durch Urlaube bekannten Land so ticken, wie die Schule abläuft und wie man sich in seinem neuen Zuhause zu benehmen hat.
Da ich natürlich noch nicht genug Norwegisch konnte, um mich ordentlich zu verständigen, wurde die ersten Monate Englisch mit mir gesprochen, was für die Norweger wohl nichts Besonderes ist.

Am ersten Schultag sollten zuerst also die Fächer gewählt werden, eine Sache, bei der man wesentlich mehr Freiheiten und Möglichkeiten als an deutschen Schulen hat. Ich hatte die Fächer Norwegisch, Englisch, Deutsch, Mathe, Geschichte, Sport und Politik und Menschenrechte. Das hört sich tatsächlich wenig an, füllt aber den Arbeitstag, da die Fächer größtenteils 4- oder 5-stündig unterrichtet werden. Einige meine Freunde hatten Fächer wie Soziologie, Rechtslehre, Marktführung und Technologie- und Forschungslehre oder „Toppidrett“, was so etwas wie ein Sport-LK ist.

Viel zu plötzlich kam dann auch schon der Winter, der sich Ende Oktober mit den ersten Schneeflocken angekündigte, und kurz darauf folgte die „Mørketida“, also die Zeit, in der es Tag und Nacht nur dunkel ist. Das war tatsächlich ein besonderes Erlebnis, zeitweise sehr anstrengend und ermüdend. Dann stand die Weihnachtszeit vor der Tür und es wurden massenweise Kekse gebacken, ein selbst gemachtes Pfefferkuchenhaus zierte das Haus meiner Gastfamilie. Anfang Dezember ging es für ein Wochenende nach Oslo, um in der Oper das Nussknacker-Ballett zu genießen und in einer der teuersten Städte der Welt zu shoppen. Am 23. Dezember begann dann die richtige Vorbereitung auf Heiligabend mit dem „Lille Julaften“, an dem die Familie einen Abend zusammen verbringt.

Silvester 2014 werde ic daran denken, dass mich 2013 das Feuerwerk mit Blick auf Norwegens zweitgrößte Insel namens Senja so beeindruckte.

Im neuen Jahr verging die Zeit wie im Flug. Im Mai, dem ereignisreichsten Monat, wurde der Nationalfeiertag am 17. gefeiert, welcher sich dieses Jahr zum 200. Mal jährte. Ein toller Tag mit viel Traditionsbewusstsein, gutem Essen und familiärem Patriotismus, der für mich persönlich neu war. So etwas wie Flaggenhissen kennen wir schließlich nur vom Fußball, wohingegen in Norwegen zu jeder Möglichkeit das Haus in den Landesfarben – rot, blau und weiß – getaucht wird.

Am 19. Juni war das Schuljahr vorbei und wir Mädels aus der Klasse aßen zusammen Mittag, um so richtig in die Ferien zu starten. Nun hieß es, Abschied von meinem neuen Zuhause, meiner zweiten Familie und Norwegen zu nehmen! Nachdem die Tränen getrocknet waren, betrat ich zum ersten Mal wieder deutschen Boden und spürte sofort, dass ich in einem Land mit 80 Mio. anstatt 5 Mio. Einwohnern lebe!

Also, allen, die überlegen, ein Auslandsjahr in der Schulzeit zu machen, kann ich nur empfehlen, sich ins kalte Wasser zu stürzen, auch wenn es ein exotisches Land mit einer neuen Sprache und eben nicht das vermeintliche Traumziel ist!

Jetzt kann ich sagen, dass ich nicht nur fließend norwegisch  sprechen kann, sondern dass ich durch ein Jahr im skandinavischen Ausland erwachsener, offener und selbstsicherer geworden bin und ich mich freue, aufgrund des kurzen Weges immer die Möglichkeit zu haben, einmal zurückzureisen. „

Nele Lesemann
Meine Gastschwester Malin und ich auf einem Grenzstein an der Schwedisch-Norwegischen Grenze.

Meine Gastschwester Malin und ich auf einem Grenzstein an der Schwedisch-Norwegischen Grenze.

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